Tosca

Giacomo Puccini
04.06.2005 | Musiktheater im Revier Gelsenkirchen

MUSIKALISCHE LEITUNG: Johannes Wildner
REGIE: Gabriele Rech
BÜHNE: Hermann Feuchter
KOSTÜME: Gabriele Heimann
TOSCA: Noriko Ogawa
SCARPIA: Jee-Hyun Kim
CAVARADOSSI: Pieter Roux

Presse

Ein Schocker mit Steigerungskurve 06.06.2005 – Westfälische Rundschau
„Tosca“ ist ein echter Thriller der Operbühne: Sex and Crime wohldosiert, dazu Musik von aufpeitschender Dramatik und blühender Italianitá, Gesangsaufgaben mit Ohrwurm-Qualität. […] Hier lässt Rech den Schocker in zunehmender Dichte abrollen, mit einer pausenlos über die beiden ersten Akte gezogenen enormen Steigerungskuve, die den Zuschauer hinreißt in die hochtrabenden Emotionen der Beteiligten. Nach dem opulenten Kirchenbild des ersten Aktes teilt Hermann Feuchter die Bühne in zweit Akten in zwei Hälften. Im oberen Teil findet die festliche Kantate statt, unten befindet sich Scarpias graues Büro in einem grauen Gefängnis, Ort der Grausamkeit, Folterkeller, das Reich des brutalen, perversen Lüstlings, in militantes Schwarz gekleidet.

Es sollte sich herumsprechen, dass bei dieser Tosca-Fassung mehr Grusel-Gänsehaut aufkommt als in manchem aktuellen Fernsehkrimi.

Sonia Müller-Eisoldt

Zeitlos vieldeutig: In Gelsenkirchen wurde Puccinis „Tosca“ gefeiert 07.06.2005 – NRZ
„Regisseurin Gabriele Rech gibt Puccinis Oper neue Akzente aus Sicht der Titelfigur. Rein äußerlich gibt sich die neue Gelsenkirchener „Tosca“ traditionell, als üppig ausgestattetes Musiktheater. Hermann Feuchter schuf eine doppelstöckige Bühne, die der doppelbödigen Moral des Scarpia Rechnung trägt: hier der sich gromm gebende Katholik, dort der über Leichen gehende Polizist. Wenn die Diva oben ihre geistliche Kantae singt, versucht Scarpia unten, aus ihrem Geliebten das Versteck des geflüchteten Ex-Konsuls Angelotti heraus zu pressen. Die schwarzen Uniformen der Schergen (Kostüme: Gabriele Heimann) weisen aus dem historischen Kontext der Napolenoischen Kriege und italienischen Unabhängigkeitsbewegung ins Zeitlose.

Wichtiger erscheint Gabriele Rech die psychologische Ausdifferenzierung der Hauptpersonen, die nacheinander in den gleißenden Lichtkegel der Verhörleuchte geraten. Besonders das Verhältnis zwischen Tosca udn Scarpia wird intensiv ausgespielt. Jee-Hyun Kim, dessen kraftstrotzender Bariton die Partie hervorragend liegt, weiß auch mimisch zwischen sexueller Lust und brutaler Berechnung schattert zu agieren. Noriko Ogawa-Yatake nimmt die Tosca mit hochdramatischem Nachdruck und verkörpert sie als eigentliches Folteropfer, als eiskalt kalkulierendes und leidendes Lustobjekt.

Ungeteilter Premierenbeifall für alle.

Klaus Albrecht

Großartige Inszenierung von Gabriele Rech 14.06.2005 – Herner Feuilleton
Beide stehen jetzt auch bei Gabriele Rechs Neuinszenierung am MiR wieder auf der Gelsenkirchener Bühne, die Hermann Feuchter kongenial zur Konzeption der Wanne-Eickeler Regisseurin, die virtuos mit den Realitätsebenen spielt und das von den historischen Ereignissen weitgehend losgelöste Geschehen ganz aus der Sicht der Diva Floria Tosca schidert, entworfen hat. Vorn rechts an der Rampe versinnbildlichen enge Reihen von Theater-Klappstühlen, wie sehr die Titelfigur in der Phantasie-Welt der Bühnenfiktion gefangen ist. […]

Die herausragende, mit Ovationen gefeirte Richetta Manager gibt, alternierend zu Noriko Ogawa-Yatake, die Floria Tosca als selbstverliebte, unter totalem Realitätsverlust leidende Diva …

Pieter Roux als Cavaradossi im Überschwang der Gefühle: Ein wunderbarer Tenor, der sich nur am Beginn kleinere Schwächen leistete. Jee-Hyun Kim beglückte als Polizeichef Scarpia nicht nur mit seinem ausdrucksstarkem Bariton, sondern überzeugt auch darstellerisch, in dieser Intensität erstmals am MiR, als machtbesessener wie von sexueller Gier getriebener sadistischer Verbrecher. Johannes Wildner am Pult der Neuen Philharmonie Westfalen trägt das seine dazu bei, dass dem MiR mit dieser „Tosca“ ein herausragendes Saisonfinale gelungen ist.

Pitt Hermann