Tannhäuser

Richard Wagner
09.10.2022 | Pfalztheater

MUSIKALISCHE LEITUNG: GMD Daniele Squeo
REGIE: Gabriele Rech
BÜHNE + KOSTÜM: Nicola Reichert
VIDEODESIGN: Gregor Eisenmann
LICHT: Manfred Wilking
CHORLEITUNG: Gerhard Palifka
DRAMATURGIE: Andreas Bronkalla
HERMANN, LANDGRAF VON THÜRINGEN: Konstantin Gorny
TANNHÄUSER: Corby Welch
WOLFRAM VON ESCHENBACH: Karel Martin Ludvik
WALTHER VON DER VOGELWEIDE: Daniel Kim
BITEROLF: Johannes Schwarz
HEINRICH DER SCHREIBER: Jaesung Kim
REINMAR VON ZWETER: Radoslaw Wielgus
ELISABETH, NICHTE DES LANDGRAFEN: Arminia Friebe
VENUS: Heike Wessels
EIN JUNGER HIRT: Indira Hechavarria / Monika Hügel
VIER EDELKNABEN: Neung Mi Lee / Evgeniya Selina / Andrea Wehrle-Zabold / Dominique Engler
HARFE: Konstanze Licht

Video

Presse

Tannhäuser – PDF zum download
Erlösung? Echt jetzt? Daran glaubt doch an diesem Abend nach der Inszenierung von Regisseurin Gabriele Rech, kein Mensch mehr. Da mag der Pilgerchor noch so laut darauf beharren, mag das weiße Kreuz auf der Bühne von Nicola Reichert, die auch für die zeitgenössischen Kostüme verantwortlich ist, noch so hell leuchten. Und auch die vielen Kerzen, die phasenweise auf der Bühne aufgereiht sind, bestärken uns nicht
unbedingt in einer religiösen Lesart dieser Oper. Ein solche hat übrigens auch der Komponist selbst nicht gesehen. Für Wagner war die streng-religiöse Wartburg-Gesellschaft mit ihrer rigiden Werte- und Moralordnung, nur eine Folie, vor der er das Schicksal der Künstlerexistenz der Titelfigur zeigen konnte. Und zugleich ermöglicht Wagner uns damit einen Blick in die eigene, durchaus ähnlich zerrissene Seele.
Die Frauen verbünden sich gegen die Männer Zu diesem Zeitpunkt der Oper müsste Elisabeth eigentlich längst tot sein. Sie müsste sich geopfert haben für Tannhäuser, damit dieser in den Genuss besagter Erlösung kommt. Aber nicht in der Lesart von
Gabriele Rech, in welcher die Frauen schlichtweg die Schnauze voll davon haben, dass ihnen von einer patriarchalischen Gesellschaft vorgeschrieben wird, was sie zu tun haben. Sie begehren auf – und so tauschen die beiden Frauen, also Venus und Elisabeth, einfach die Rollen. Die eine wird zur ebenso biederen wie keuschen Hausfrau, die ihre Sexualität, ihre Sinnlichkeit unterdrückt; die andere wird zur Verführerin, die sich lasziv auf dem Sofa räkelt und uns ihre nackten Beine entgegenstreckt. Für die Titelfigur aber ist das zu viel. Sein Frauenbild, ja eigentlich sein Weltbild gerät ins Wanken. Tannhäuser hatte es sich bequem gemacht in diesem Leben zwischen und mit zwei Frauen, die ihm alle seine Wünsche erfüllten. Stand ihm der Sinn nach biederer Hausfrau, ließ er sich von Elisabeth mit Suppe bekochen; hatte er Lust auf wilden, animalischen Sex, dann erfüllte ihm Venus willig seine Wünsche.

Tannhäuser als verantwortungsloser Jammerlappen In Kaiserslautern jedenfalls sehen wir einen völlig hilflosen, fast schon panischen Tannhäuser im Schlussbild, der viel zu spät realisiert, was er alles falsch gemacht hat in dieser Dreiecksbeziehung. Was bleibt, ist ein verantwortungsloser Jammerlappen, dessen Sexprotz-Image ohnehin nur aufgesetzt wirkt. Arminia Friebe als Elisabeth und Karel Martin Ludvik als Wolfram. Foto: Brehm-Seufert/Gratis Und die anderen Männer in der Wartburg-Gesellschaft, gegen die Tannhäuser sich ja eigentlich auflehnen müsste, sind nicht besser. Sie haben nur den Macho-Blick auf die Frau, wollen sie einmal als Heilige verehren, dann wieder als Hure benutzen. Dies zeigt die Regie am Ende des zweiten Aktes. Elisabeth hat sich gerade für den Sünder Tannhäuser eingesetzt und diesen vor einer Lynchjustiz bewahrt. Die erste Reaktion ist erwartbar: Man stellt sie auf einen Tisch, dank eines Scheinwerfers erhält
sie einen Heiligenschein. Doch dann kippt die Stimmung. Man reißt ihr die Klamotten vom Leib, schminkt ihre Lippen in ordinäres Rot, betatscht und befingert die hilflose Frau – während Tannhäuser mit Gürteln ausgepeitscht wird.

Ein wirklich großartiger Tannhäuser
Es ist Venus, welche die traumatisierte Frau aus dieser Situation der absoluten Verzweiflung herausführt. Wenn sie sich der völlig verstörten Elisabeth im letzten Akt nähert, bedeckt sie erst einmal deren Blöße. Sie tröstet sie – und beweist weibliche Solidarität. Weil beide vom selben Mann hintergangen, verraten wurden, benutzt worden sind. Wie anders doch die Männer sich verhalten, die mit Messern aufeinander
losgehen, von denen jeder nur auf den eigenen Vorteil bedacht ist.
… Großes Kino!

Rheinpfalz

Richard Wagner Opern – live : Rezension vom 27.11.22
Grandioser „Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg“ in Kaiserslautern, der musikalisch begeistert und kurzweilig, schlüssig in der szenischen Umsetzung ist. (26.11.2022)

Bravo Pfalztheater Kaiserslautern. Mit dieser „Tannhäuser“ Produktion setzt das Pfalztheater ein deutliches Ausrufezeichen. Eine klassisch, schlüssige Inszenierung von Gabriele Rech wurde musikalisch auf einem grandiosen Niveau zelebriert.

GMD Daniele Squeo schafft es mit der hervorragend aufgelegten Pfalzphilharmonie Kaiserslautern die Glut der Partitur zu entfachen. Sauber, differenziert und ein wundervoller Gesamtklang sind die Basis des hohen musikalischen Niveaus dieser Aufführung.

Mit Corby Welch steht ein wahrer Heldentenor auf der Bühne, der szenisch eine durchdachte, spannende Gestaltung des Tannhäuser aufzeigt. Auch stimmlich ist Corby Welch die perfekte Besetzung. Sein strahlender Tenor meistert alle Anforderungen an diese schwere Partie. Neben vollem, heldischen Volumen, einem sehr schönen Timbre, deutlicher Aussprache zeigt er eine sehr differenzierte Tongebung, die besonders bei der Romerzählung unter die Haut geht.

Als Elisabeth konnte die Sopranistin Arminia Friebe vollends überzeugen. Bereits bei „Dich, teure Halle, grüss‘ ich wieder …. „ lies sie aufhorchen, das hier eine junge Söngerin mit einem großen stimmlichen Potential auf der Bühne steht. Wunderschöne Bögen, deutliche Aussprache, großes Volumen und feine Piano Stellen wurden vom Publikum zu recht mit großem Applaus honoriert. Wenn sie diese stimmliche Leistung beibehält und steigert, kann sie es schaffen zu einer beeindruckenden Wagner Interpretin für alle großen Bühnen sich zu entwickeln.

Die Venus wurde von Heike Wessels verkörpert. Mit dunkel gefärbtem Timbre , starken Volumen verkörperte sie eine fordernde , dominante *Göttin der Liebe“. Als Hermann zeigte Konstantin Gorny einen würdevoll, majestätische Landgraf von Thüringen. Mit gepflegtem Bass erfüllte er alle Anforderungen an die Partie. Andreas Beinhauer als jugendlicher Wolfram von Eschenbach sang mit hellem strahlenden Bariton, zeitweise warmen Timbre und zeigte wohlklingenden Bögen in der Stimmführung auf.

Auch die weiteren Protagonisten Daniel Kim als Walther, Johannes Scharz als Biterolf, Jaesung Kim als Heinrich, Radoslaw Wielgus als Reinmar, Indira Hechavarria als Hirte sowie die vier Edelknaben Neung Mi Lee, Evgeniya Selina, Andrea Wehrle-Zabold, Dominique Engler konnten das hohe musikalische Gesamtniveau mittragen.

Konstanze Licht war mit ihrer Harfe seitlich auf der Bühne positioniert und zeigte die Schönheit des Harfenklang mit großem Gefühl auf.

Der Chor und Extrachor bestach durch einen sehr homogenen Klang und einer Spannbreite von Piano Passagen ( Pilgerchor ) bis hin zu großen Fortissimo Momenten ( Schluss ).

Die Produktion „Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg“ am Pfalztheater Kaiserslautern ist eine absolute Empfehlung. Bravo Tutti