Salome

Richard Strauss
WA: 24.11.2019 | Nationaltheater Mannheim

MUSIKALISCHE LEITUNG: Alexander Soddy
REGIE: Gabriele Rech
BÜHNE: Sandra Meurer
SALOME: Anna Gabler / Allison Oakes / Annemarie Kremer
HERODES: Andreas Hermann / Uwe Eikötter
HERODIAS: Marie-Belle Sandis / Heike Wessels
JOCHANAAN: Jorge Lagunes

Presse

MANNHEIM/Nationaltheater: SALOME. Wiederaufnahme – 25.11.2019
moderne überzeugende Inszenierung

Mannheimer Morgen – 16.01.2006 
Abkehr vom Männer mordenden Monster

MUSIKTHEATER: Mit Gabriele Rechs Version von Richard Strauss‘ „Salome“ ist Mannheims Nationaltheater ganz oben angelangt

Von unserem Redaktionsmitglied Stefan M. Dettlinger

Puristen könnten sich die Haare raufen: Salome, dieses verzweifelte und verzwirbelte Wesen, das nach Liebe, vielleicht auch nach sexueller Erfüllung sucht, tanzt hier weder ihren berühmten Schleiertanz, noch wird sie am Ende von des Tetrarchen Herodes Soldaten mit Schilden erschlagen und erdrückt. Im Gegenteil. Nachdem sie, langsam, innig und unter dem Flirren eines elektrisierenden Trillers (a-b), dem abgeschlagenen Kopf Johannes des Täufers jenen blutigen Kuss verpasst hat, der für vieles, auch den Geschlechtsakt, stehen könnte, fährt die Grausame mit dem blutbefleckten Körperteil gen Himmel. Das Geheimnis der Liebe, so sang Salome zuvor noch von hellem G-Dur in düstere Dissonanzen abdriftend, sei größer als das des Todes. Schließlich: Der Tod ereilt sie. Die Liebe hat sie nie gesehen. Dann: Herodes faucht „Man töte dieses Weib!“. Das Orchester rumpelt chromatisch. Ende, ein fast affirmatives, versöhnliches Ende. Obwohl dort das c-Moll zuschlägt wie ein Henker, c-Moll, die tragische, tödliche Tonart.

Puristen raufen sich die Haare aber nicht. Denn Gabriele Rechs Mannheimer Inszenierung ist ein äußerst gelungenes Beispiel dafür, dass es Werktreue im eigentlichen Sinne nicht gibt. Das Werk als solches existiert ja nur in einer mehr oder minder exakt formulierten Vorlage, der Partitur, die von allen Beteiligten (auch dem Publikum) mit Fantasie gefüllt werden muss. Dem Werke treu kann demnach also höchstens sein, wer es zum eindrücklichen Funktionieren bringt, und ob da nun alles eins zu eins umgesetzt wird, was in der hehren Partitur steht, mag dann in gewisser Weise als sekundär erscheinen.

Und Rechs „Salome“ funktioniert. Und wie! Vor der grauen, kalten und unbeseelten Industriearchitektur einer Art Hochsicherheits-Palast, den Bühnen- und Kostümbildnerin Sandra Meurer konisch auf einen Fluchtpunkt zulaufend diagonal auf die Bühne gesetzt hat, entwickelt Rech mit den Protagonisten ein spannungsgeladenes Schaubild von verletzten, verkorksten und moralisch verdorbenen Seelen. Die problematische Mutter-Tochter-Beziehung von Herodias und Salome ist da genauso zum Greifen nah wie das möglicherweise unsittliche Verhältnis der kleinen Salome zu ihrem Stiefvater Herodes oder der unterschwellige Antisemitismus des Werkes, das Richard Strauss nach Oscar Wildes Prosatragödie „Salomé“ 1905 erstmals in Dresden aufführen ließ, unter der Leitung Ernst von Schuchs…

Die Meisterschaft von Rechs und Meurers Regie liegt sicherlich darin, dass sich das Musikdrama einerseits zwar vor der ästhetischen Folie einer modernen Machtzentrale zuträgt, andererseits die Konkretion des Ortes und auch der Zeit nie so weit getrieben wird, dass …. Plumpheiten entstehen. Auch fehlen hier Entkleidungsszenen genauso wie gespreizte Beine, Turnschuhe oder Laptops…

Ohnehin: In gewisser Weise neu ist Rechs Abkehr von der Thematik „Salome – das Männer mordende Sex-Monster“. Die Darstellung einer fiebernden Geilheit, die von (männlichen) Regisseuren hier immer wieder hineinprojiziert wurde, opfert Rech einer Suche nach Nähe, Wärme, Verständnis, kurz: nach humaner Liebe, die als Gegenpol zur kalten Machtwelt des Tetrarchen zu verstehen ist, an der Salome, nachdem sie die Liebe des Propheten Jochanaan (Johannes) nicht entzünden kann, zugrunde geht.

Alles gut also: Mit dieser „Salome“ ist die Oper am Nationaltheater Mannheim ganz oben angekommen. Die Menschen waren begeistert. So kann es weitergehen. Und was die Werktreue angeht: Es lebe Gabriele Rech! Sie zeigte, wie hauchdünn der Grat zwischen Untreue und Treue ist.

© Mannheimer Morgen

Gänsehautschauern 16.01.2006 – Saarbrücker Zeitung
Rech verdichtet im Tanz der Sieben Schleier nochmals das ganze Bühnengeschehen mit starken Bildern……“Endlich wieder große Oper“ ist einhelliger Tenor an diesem szenisch wie musikalisch fesselnden Abend.

B-Premiere der Salome am Nationaltheater 20.01.2006 – Die Rheinpfalz
….Sie wurde szenisch höchst eindringlich umgesetzt…