Pique Dame

Pjotr Iljitsch Tschaikowsky
11.02.2005 | Staatstheater Oldenburg

MUSIKALISCHE LEITUNG: Alexander Rumpf
REGIE: Gabriele Rech
AUSSTATTUNG: Nicola Reichert
HERMANN: Markus Petsch
LISA: Magdalena Schäfer
ALTE GRÄFIN: Ariane Arcoja
GRAF TOMSKY: Juri Batukov
FÜRST JELETZKY: Paul Brady

Presse

Pique Dame 14.02.2005 – Nord-West Zeitung
… „Pique Dame“ ist wohl die radikalste und modernste Oper Tchaikowskys…

So überrascht es nicht, dass Gabriele Rech das Werk in die Gegenwart, die nachrevolutionäre Zeit verlegt hat. – wie Kostüme und das variable Einheitsbühnenbild von Nicola Reichert signalisieren….

Die Regie ist das Wagnis einer ungekürzten Auffühung eingegangen, die Schein – Idylle des „Kinderspielplatzes im Sommergarten“ (sonst zumeist gestrichen) hat eine zeitgemässe Deutung erfahren. …

Endet die Oper bei Tschaikowsky mit dem Selbstmord Lisas und Hermanns, so lässt Gabriele Rech den Hermann weiterleben, während sich Lisa am Ende in Trance und Verklärung ergeht….

Werner Matthes

Pique Dame 15.02.2005 – Weser Kurier
…Eine spannungsvolle neue Produktion wir nun in Oldenburg gezeigt. Sie ist in ihrer atmosphärischen Dichte rundum gelungen und verkraftet auch die ihr von der Regisseurin aufoktroyierte Zeitverlegung. Das Regieteam siedelt das Werk in der sowjetischen Nach – Stalin – Ära an, was sich vor allem auf die Volksszenen des ersten Aktes auswirkt. Statt (klein)bürgerlicher Idylle tritt uns proletarisches Elend entgegen, wenn Prostituierte in einem grauen Innenhof nach Freiers Ausschau halten und ihre(?) Kinder währenddessen mit Miniaturpanzern und Schnüffeltüten spielen. Das Werk gewinnt an Schärfe in der Milieuzeichnung, geht weg vom harmlos illustrierenden Bilderbogen – genau wie in den Militär – und Festszenen, wo die in der Musik vorgegebene Aggressivität szenisch pointiert herausgearbeitet wird…

Im zweiten Akt: Die große Szene der Gräfin. Die Regisseurin macht daraus das erschütternde Psychogramm einer menschlichen Ruine, schwankend zwischen Momenten des Verfalls und solchen, in denen durch die Kraft der Erinnerung neue Vitalität den Körper durchströmt. Dies findet ihren Höhepunkt in der gesanglich wie darstellerische eindringlichen Ariane Arcoja, wenn Hermanns Erscheinen im Schlafzimmer der greisen Gräfin zunächst kein Erschrecken hervorruft, sondern das Glücksgefühl, noch einmal, wie in der Vergangenheit, einen Kavalier vor sich zu sehen, der um sie wirbt.

Sehr feinsinnig ist das, wie überhaupt die gesamte Personenführung. …

Es gibt bemerkenswert viele leise Stellen, wo die Regie mehr und mehr auch surreale Momente einfliessen lässt und auf ein ganz unspektakuläres Ende zusteuert: Wenn Hermann nämlich, ohne dass ein lauter Pistolenknall den Verlauf der Musik störte, durch eine Tür verschwindet, während der Chor der Spieler in oratorienhafter Erstarrung singt. …

So standen am Ende viel Beifall und etliche Bravos für einen packenden Opernabend.

Gerhart Asche

Pique Dame 15.02.2005 – www.Opernetz.de
… Der Regie geht es nicht um die Probleme der Spielsucht, sie versteht die „Karten“ als Metapher für die unergründliche Dämonie unterhalb gesellschaftlicher Mächte. Sie verlegt die Handlung – unaufdringlich „aktualisierend“ – in die Szene des nach-sowjetischen Oligarchen – Russlands.

Opfer sind die Frauen, Hermanns Zukunft liegt im Verhalten der Szene, provoziert durch die geheimnisvoll – dämonischen Kräfte, die alle Systemwechsel überstanden haben.

Nicola Reicherts Bühne verweist auf diese Situation mit einem perspektivischen Kasernen – Bau, der sich nach aussen öffnet und während der Szenenwechsel flexibel variiert wird. Bühne, Regie – Konzept, Darsteller und Musik korrespondieren imaginativ perfekt – steigern sich zu packender Spannung.

Diese „Pique Dame“ ist in Oldenburg offenkundig „in“; die zwingende Betonung der Spiritualität, die immantente Problematisierung und die zupackende Spannung der Geschichte treffen die latenten Bedürfnisse eines – atemlos folgenden! – auch jungen – Publikums. Eine kultige Inszenierung.

frs

Pique Dame – opernwelt – Seite 52 – April 2005
Es gibt sie noch, die klangsensiblen Regisseure. Zwar richtet im Schlussbild der «Pique Dame» Fürst Jeletzky auf Hermann die Pistole, um ihn zu erschießen – aber kein lauter Knall zerreißt das musikalische Geflecht. Stattdessen verschwindet der bankrotte Spieler still durch eine Tür, während der Chor in oratorienhafter Erstarrung sein Todesgebet singt. Sehr feinsinnig gesehen ist das von Gabriele Rech, wie überhaupt ihre Personenführung, trotz der naturgemäß eher grellen Volks- und Soldatenszenen des fast ungekürzt gespielten Werks, bemerkenswert viele leise Stellen aufweist.

Ganz besonders in dem großen Auftritt der alten Gräfin im zweiten Akt, die in Ariane Arcojas intensiver Darstellung zum Psychogramm menschlichen Verfalls wird, schwankend zwischen Kraftlosigkeit und Momenten, in denen die Erinnerung dem senilen Körper neue Vitalität zu verleihen scheint. Ihren Höhepunkt findet die Szene in einer überraschenden Wendung, wenn Hermanns Erscheinen im Schlafzimmer bei der Greisin zunächst kein Erschrecken hervorruft, sondern das Glücksgefühl, noch einmal, wie in den gloriosen Zeiten ihrer Vergangenheit, einen Kavalier vor sich zu sehen, der sie umwirbt.

Zeitlich siedeln die Regisseurin und ihre Bühnen- und Kostümbildnerin Nicola Reichert das Werk in der sowjetischen Nach-Stalin-Ära an, was sich vor allem auf die Volksszenen des ersten Aktes auswirkt: Statt bürgerlich-kleinbürgerlicher Enge tritt uns proletarisches Elend entgegen, wenn Prostituierte in einem trostlos grauen Innenhof (dem Einheitsspielort der Aufführung) nach Freiern Ausschau halten und ihre (?) Kinder währenddessen mit Miniaturpanzern und Schnüffeltüten spielen. Die Schärfe der Milieuzeichnung dient dem Werk, etwa in den Militär- und Festszenen, wo die in der Musik vorgegebene latente Aggressivität pointiert herausgearbeitet wird.

Alexander Rumpf am Pult, ein Mann des kraftvollen orchestralen Pinselstrichs, gibt hier die prägnanten musikalischen Impulse, hat aber auch das richtige Gespür für die lyrischen Passagen der Partitur. Und wenn Magdalena Schäfer als Lisa und Markus Petsch als Hermann stimmlich bisweilen an ihre Grenzen gelangen, so nimmt man das als zusätzliche Facette ihrer eindringlichen Gestaltung menschlichen Außer-Sich-Seins.

Gerhart Asche