Madama Butterfly

Madama Butterfly

Giacomo Puccini
07.06.2000 | Anhaltisches Theater Dessau

MUSIKALISCHE LEITUNG: Manfred Mayrhover
REGIE: Gabriele Rech
BÜHNE: Fridolin M. Kraka
KOSTÜME: Marlis Knoblauch
  Eilana Lappalainen, Galina Chesterneva,
Jana Frey, Ivan Moutaftchiev,
Taimo Toomast, Mark Rosenthal,
Ioanis Ikonomou, Frank Gierlich

Presse

Das stumme Warten offenbart dramatische Opern-Essenz – Anhaltisches Theater Dessau
Gabriele Rech inszeniert Puccinis „Butterfly“ als Drama der starken Frauen

VON JOHANNES KILLYEN

Dessau/MZ. Die vielleicht schönste Szene in dieser Oper: Drei Frauen knien nebeneinander, starren ins Publikum und warten – warten die ganze Nacht auf einen Mann, der das Warten nicht wert ist. Zuerst schläft die Tochter ein, dann die Dienerin, die betrogene Herrin hält bis nach Sonnenaufgang aus. Alle bleiben stumm und überlassen es Puccinis Orchestersatz, das Drama zu erzählen: Tosende Stille.

Tradition und Subtilität
Die kleine Tochter (Maren York) ist im originalen „Butterfly“-Libretto ein Junge. Irgendwie aber, wird sich Gabriele Rech bei ihrer Inszenierung am Anhaltischen Theater Dessau gedacht haben, passt ein Mädchen hier besser. Denn wer bei Giacomo Puccini auf das weibliche Geschlecht setzt, kann so falsch nicht liegen: Keine seiner Opern kommt ohne große, tragische Frauenrolle aus. Zum Abschluss der Spielzeit war das Premierenpublikum am Freitag hörbar zufrieden mit dieser zwar nicht experimentierfreudigen, aber doch sehr subtilen Lesart des Werkes. Man jubelte lang und laut.

Der Plot: Amerikanischer Gigolo Linkerton (warum nur darf er in der Übersetzung von Joachim Herz nicht Pinkerton heißen) heiratet japanische Geisha Butterfly, lässt die Unglückliche allerdings bald sitzen. Nach drei Jahren kommt er nebst amerikanischer Gattin (Daniela Zanger) zur Wartenden zurück, um das gemeinsame Kind in Obhut zu nehmen. Die entehrte Butterfly versetzt sich mit dem Dolch ihrer Ahnen den Todesstoß.

Gabriele Rechs Frauen sind unübersehbar das starke Geschlecht, die Männer dagegen allesamt Schwächlinge oder Clowns. Deshalb lässt Jana Frey als Dienerin Suzuki den Makler Goro (Mark Rosenthal) lieber mit einem geübten Judogriff auf die Bretter krachen, statt devote Verbeugungen zu machen – auch wenn ihr Mezzospran sich nur schwer durchsetzen kann. Deshalb sind der grüngesichtige japanische Priester (Frank Gierlich) und der Freier Yamadori (Günter Krause) mit blauer Sonnenbrille nur Witzfiguren.

Doch genug der Skurrilität: Fridolin M. Kraska hat dem Stück einen angenehm schlichten und lichten Pavillon mit Schiebewänden gebaut, zu dem Marlis Knoblauchs gedeckte Kostüme passen: Der überwiegend präzise Chor kommt als Hochzeitsgesellschaft in Grau, während Taimo Toomast als Konsul Sharpless den cremefarbenen Anzug als Abbild seines blassen Charakters herum trägt und auch mit der Stimme nicht klotzen darf.

Ioanis Ikonomou alias Linkerton ist eigentlich nur ein oberflächlicher Junge mit stimmlichen Höhen und Tiefen, für den japanische Traditionen ebenso wenig wert sind wie der Heiratskontrakt, aus dem er ein Papierschiff faltet – um kurz darauf selbst mit dem Schiff zu verschwinden. Zurück bleibt eine liebestrunkene Butterfly: Galina Chesterneva gibt von Beginn an eine reife Frau, die dann mit dem Schmerz stimmlich und darstellerisch zur großen Puccini-Heldin wächst. Am Schluss stellt ihre Bühnenpräsenz das gesamte Ensemble in den Schatten.

Präsentes Orchester
Manfred Mayrhofer lässt die bestens aufgelegte Anhaltische Philharmonie mit ihr leiden und unterstützt jede Regung, jedes Stocken, jeden Ausbruch. Niemals erhebt sich das Orchester eigenmächtig über die Singstimmen, ist – wie Puccinis japanisches Kolorit – stets präsent, doch nie aufdringlich. Zehn Minuten aber gehören allein der Philharmonie – zehn Minuten des stummen Wartens auf den Liebhaber, in denen vielleicht die Essenz der ganzen Oper steckt.