Les Contes d’Hoffmann

Jacques Offenbach
18.09.2002 | Städtische Bühnen Münster

MUSIKALISCHE LEITUNG: Will Humburg
REGIE: Gabriele Rech
CO-REGIE: Benedikt Bormann
BÜHNE + KOSTÜM: Nicola Reichert
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Presse

Münsters „Hoffmann’s Erzählungen“ sind ein großer Wurf! 18.09.2002 – opernnetz
Hoffmann versagt in Liebe und Leid – lässt im dumpfen Rausch die Frauen als Opfer zurück. Olympia vom Plebs missbraucht; Antonia als sexuelles Opfer des eigenen Vaters; Giulietta als höriges Instrument des machtgeilen Lintorf. …

Dies alles geschieht im sterilen Ambiente einer bürgerlich – studentisch – dämonisch – hintergründigen Gesellschaft: das Bühnengehäuse ist martialisch, auf den ersten Blick „feierlich“, auf Dauer bedrängend….

In Münster werden Hoffmann’s Erzählungen entrümpelt 20.09.2002 – Westfälischer Anzeiger
Im Opernführer liest sich alles etwas anders, doch die Schlüsse die Gabriele Rech aus „Hoffmann´s Erzählungen“ schließt, leuchten ein. Wir sehen einen Frauenverbraucher der nach einer ziemlich entgleisten Party übrig bleibt. Offenbachs bruchstückhaft überliefertes Meisterwerk wird von dem Regieteam entrümpelt, damit Geschichten von Männern und Frauen, von Vätern und Töchtern erzählt werden können. Dank eines bravourös spielenden Ensembles gelingen intelligente Pointen und dramatische Konstellationen, die aus der Prosa des „echten“ Hoffmann gezogen werden – wie inzestiöse Besitzansprüche von Antonias Vater – oder aus der Szene selbst destilliert Olympia, die hier keine Puppe ist, sondern eine vom Papa dressierte Zwitschermaschine….

Hoffmann sucht die vollkommende Liebe, doch er distanziert sich bald von jeder Frau, macht sie zum Objekt seines Schreibens – und seiner Literaturpose.
Die Gäste, von Ausstatterin Nicola Reichert in zeitgenössischen schwarzen Zwirn gekleidet (vorwiegend schwarz), sollen nichts verpassen….

Die Muse wird als eifersüchtige Lebensgefährtin zur eigentlichen Hauptfigur, die sich an Hoffmann verbraucht… Was muss sie sehen? Hoffmanns Gier nach dieser dämlichen Kichererbse an der Bar, die sich von der Burschenschaft abfüllen lässt, bevor der Vater sie zum Koloratur – Schneewittchen vorführt. Dabei heizt er die Lolitafantasien der anwesenden Herren gerne an, und sie greifen brutal zu…

Antonia wird von Hoffmann ebenfalls im Stich gelassen, nachdem seine Verehrung für ihre Sangeskunst von der Aussicht auf eine brave Hausfrau abgekühlt wird. Ihr Vater verbot schon ihrer Mutter das Singen. Jetzt stopft er auch der Tochter das Maul – mit einem Kuss.

Hoffmann konsumiert Olympia, Antonia und die Muse – doch die Kurtisane Giulietta macht ihn schliesslich zum Oper (zum Mörder)… ein offener Boden, Wassergraben und schmale Stege deuten venezianisches Ambiente an – Hoffmann´s Erinnerungen verschwimmen….

Auch Offenbachs bittere Schlusspointe – der Chor rühmt einen durch Liebesleid gereiften Dichter – versieht die Regie mit privater Tristesse: Auf La Muse und Hoffmann wartet wieder ein Alltag der zähen Zweisamkeit.

Elisabeth Elling

Hoffmann’s Erzählungen 20.09.2002 – Münstersche Zeitung
Der Auftritt des Regieteams im Schlussapplaus ist immer ein spannender Theatermoment: hier ging alles gut – es wurde in den Jubel eingeschlossen. Das hätte man nach dem eigenartigen Beginn der Aufführung nicht erwartet, doch der Regie gelang es mit gewaltiger Energie, sich aus dem eigenen Konzept heraus zu winden. … Schon im Original teilen sich „Hoffmann´s Erzählungen“ in eine Rahmen- und eine Binnenhandlung ein. … In Münster hebt Gabriele Rech die Trennung der Episoden auf: Alle drei Frauen sind die ganze Zeit auf der Bühne und feiern zusammen ein Fest. Die Liebesgeschichten werden als bitterböse Partyspiele inszeniert, Realität und Fiktion vermischen sich dabei….

Was die Regie zum traurigen Verhältnis zwischen den Geschlechtern zu sagen hat, geht unter die Haut. Die Geschichte der Olympia handelt von einem zum Objekt degradierten Frau. Nachdem das Disney – Schneewittchen seine Bravour – Arie gemeistert hat, wird sie von den männlichen Gästen brutal vergewaltigt. Ebenso schockierend die Episode von Antonia (sensationell: Ines Krome), die wegen ihre Schwindsucht nicht mehr singen darf. Hier ist sie nicht schwindsüchtig, sondern durch Inzest traumatisiert. Ihr Gesang erstirbt erst, als ihr Vater sie zwanghaft auf den Mund küsst.

Im Giulietta Akt wird der Spiess dann umgekehrt. Sie zieht die Karte kalter weiblicher Berechnung. Mit dem passiven Hoffmann hat sie leichtes Spiel, hin- und hergeworfen zwischen dem machtgierigen Widersacher Lintorf und der Muse, die Liebe und Klugheit verkörpert. Diese beiden ständigen Begleiter, schwarz gekleidet und bebrillt, wirken wie zwei konkurrierende Persönlichkeiten des Dichters…. Grosser Applaus für Alle.

Manuel Jennen

Hoffmann’s Erzählungen – Die Glocke
…Einer der grössten Verdienste der Aufführung ist der Verzicht auf Spezialeffekt. Ein schlichtes Bühnenbild und zurückhaltene Kostüme legen die Betonung auf Spiel und Gesang und fordern den Mitwirkenden viel ab. Die Suche nach Identität und das Scheitern des Dichters in einer zunehmend unwirklichen Szenerie werden bravourös umgesetzt…. Viel Applaus für die dynamische, kraftvolle Interpretation. In der neuen Edition von Michael Kaye wird der Verfall Hoffmanns durch Straffungen und Andeutungen akzentuiert. Bis in die Nebenrollen exzellent ausgespielt, reisst die Inszenierung durch die Darstellung des Dämonischen und die grandiose Leistung des Ensembles zu Begeisterungsstürmen hin.

Petra Fayn