Lady Macbeth von Mzensk

Dmitri Schostakowitsch
15.04.2006 | Nationaltheater Weimar

MUSIKALISCHE LEITUNG: Patrick Ringborg
REGIE: Gabriele Rech
BÜHNE + KOSTÜM: Nicola Reichert
BORIS TIMOFEJEWITSCH ISMAILOWA: Jon Pescevich
SINOWI BORISSOWITSCH ISMAILOWA: Frieder Aurich
KATERINA LWOWNA ISMAILOWA: Nicola Beller Carbone
SERGEJ: Erin Caves
AXINJA: Joana Caspar
DER SCHÄBIGE: Günter Moderegger
POPE: Dieter Hönig
POLIZEICHEF / SERGANT / WÄCHTER: Mario Hoff

Presse

Lady Macbeth von Mzensk 15.04.2006 – www.Opernwelt.de
Joachim Lange

Mit kammerspielartiger Präzision bleibt Regisseurin Gabriele Rech dicht am Thema der Gewalt

Lady Macbeth von Mzensk – Die deutsche Bühne, 8/06
Gabriele Rech in Weimar hingegen näherte sich in guter, an der realistischen Musiktheatertradition orientierter Manier, der Geschichte und ihrer Relevanz für eine postsowjetische Gegenwart.

Lady Macbeth von Mzensk 17.04.2006 – BR5 aktuell
Mehr Operndrama ist schlechterdings nicht möglich: Regisseurin Gabriele Rech hatte sich mit der „Lady Macbeth von Mzensk“ ein Werk ausgesucht, das man eigentlich nur schweißgebadet überstehen kann. Das Psychodrama einer Frau, die Freiheit und Liebe will, die sich gewaltsam gegen Unterdrückung, Langeweile und geistige Enge wehrt, dabei jedoch furchtbar scheitert. Komponist Dmitri Schostakowitsch schrieb ein grelles Musikdrama voller Lautmalereien, stärkster Kontraste und knalligster Effekte. Eines der spektakulärsten Werke des 20. Jahrhunderts. Zwischen Sexualität und Gewalt macht Schostakowitsch wenig Unterschied – wohl nie wurde ein Geschlechtsverkehr so erbarmungslos in Noten gesetzt.

Auf der Bühne toste das Leben, und das Publikum war hingerissen. Gabriele Rech gelangen packende Bilder für den düster-tragikomischen Reißer. Die bäuerliche Welt des alten Russlands wurde in den Innenhof eines Wohnblocks mit vergitterten Fenstern verlegt. Kein Ausweg, nur drückende Enge. Die Handlung konzentriert sich auf das knallig rosarote Bett, in dem sich Kaufmannsgattin Katerina zunächst herumräkelt, langweilt und schließlich ihren Mann betrügt. Katerina will Sex, will Nähe, will ihren Körper und das Leben spüren, und dafür ist sie bereit, Schwiegervater und Mann umzubringen. Der Mann ihrer Träume ist Knecht Sergej, ein roher, gewalttätiger und skrupelloser Mann – Liebe ist mit ihm nicht möglich, und daran scheitert Katerina, bis sie sich am Ende als Verbannte in Sibirien die Pulsadern aufschneidet.

Die aufregenden, spannungsgeladenen Bilder werden von Dirigent Patrik Ringborg und der Staatskapelle noch einmal durch extreme musikalische Kontraste in ihrer Wirkung gesteigert. Tosender Blechbläserlärm wechselt mit feinen, kaum hörbaren Streicherpassagen ab. Die Farce, die bis ins Absurde gesteigerte Tragödie wird wunderbar deutlich. Weil der Text ins Deutsche übersetzt wurde, fühlte man sich an Stücke von Brecht und Weill erinnert, die „Lady Macbeth von Mzensk“ ist so bitterböse wie der „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“.

Großartige Lady 18.04.2006 – Ostthüringer Zeitung
Angelika Bohn

Gabriele Rech inszeniert in Weimar Schostakowitschs „Lady Macbeth von Mzensk“

Premiere war am Sonnabend mit der bereits für ihre „Zauberflöte“ gefeierten Gabriele Rech als Regisseurin und der großartigen spanischen Sängerin Nicola Beller Carbone in der Titelrolle.Gabriele Rech zeigt Katerina in erster Linie als Opfer einer von Gewalt besessenen Gesellschaft, in der es keine Freude, keine Freundschaft und keinerlei Kultur gibt. Ihr Verlangen nach Liebe und Sexualität ist legitim. Die Aufrichtigkeit und selbstlose Größe, mit der Carbone die Figur versieht, lassen bis zum Schluss keinen Zweifel an dieser Legitimität zu. So bleibt am Ende die verstörende Frage, berührt Katerinas Schicksal, weil von vornherein klar ist, dass die Untaten, mit denen sie sich gegen eine viehische Männerwelt zur Wehr setzt, ihr kein Glück bescheren werden. Oder berührt es wegen der Anerkennung, die sie dafür verdient, es wenigstens versucht zu haben,.

Leid und Leidenschaft 18.04.2006 – Thüringer Allgeimeine
Dr Ursula Mielke

Lady Macbeth von Mzensk“in Weimar: Leid und Leidenschaft

Niemand kommt aus einer Aufführung von Dmitri Schostakowitschs Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ so heraus wie er hineingegangen ist. Ästhetische Unbekümmertheit weicht tiefem Ergriffensein, seelische Erschütterung eingeschlossen.WEIMAR. Tosender Applaus für die Premiere dieses Ausnahmewerkes am Deutschen Nationaltheater Weimar unterstrich diesen Eindruck. Obwohl diese Theaterbretter viele Tragödien erlebten, geht die unglaubliche Geschichte der Katerina Ismailowa, geht das Schicksal der mädchenhaft-sensiblen, sexuell aber unbefriedigten Frau des schwulen Kaufmanns Sinowi und ihres despotisch-grausamen Schwiegervaters Boris mehr als alle Historiendramen unter die Haut. Gabriele Rech ist das Verdienst zuzuschreiben, die „Lady“ nicht historisierend-folkloristisch, sondern modern-zeitlos definiert zu haben. Lediglich ein aufgemalter Birkenhain leitet den Blick weg vom allgegenwärtigen Gefängnis als Handlungsort. Momente des Zynisch-Entlarvenden finden sich ausreichend in Rechs Regie. Den Gipfel der Enterotisierung erreicht sie mit dem Auftritt seelenloser Wesen in Unterwäsche. Danach erscheint der Marsch in die Verbannung als Erlösung, als einzig denkbarer „Lichtstrahl im Reich der Finsternis“.

Lady Macbeth von Mzensk 18.04.2006 Thüringische Landeszeitung
Das Team um die Regisseurin Gabriele Rech nutzt das Jubiläum, um in der Weimarer Erstaufführung der „Lady“ Wahrheiten aufzuzeigen, die außerhalb des Brechtschen Diktums liegen.Im DNT wird die „Lady“ nicht krampfhaft modern inszeniert. Die Polizisten tragen Uniformen, der Pope ist ein Pope, die weiblichen Hochzeitsgäste sind in russische Blümchenkleider gesteckt, die Trauer-Blaskapelle tritt in Frack und Zylinder auf. Dazu suggeriert das schlichte Bühnenbild von Nicola Reichert eine beklemmende Hinterhof-Tristesse, ein abgeteilter Bereich der Vorderbühne mit Birkentapete die Sehnsucht nach russischer Naturidylle.

Auch die Regie will nicht blind provozieren. Gabriele Rech muss allerdings Partitur und Libretto deutlicher umsetzen, als dies zur Zeit der Uraufführung 1934 nötig war. Unsere Sehgewohnheiten sind von den Darstellungsmöglichkeiten in Film und Fernsehen geprägt. Wenn für das Orchester eine handfeste Vergewaltigung komponiert ist, kann man es heute nicht dabei bewenden lassen, dass die Köchin klagt, man hätte ihr den Rock zerrissen. Natürlich muss die Regie die Brutalität der Musik adäquat umsetzen, was ihr auch im DNT gelingt. Umzusetzen ist auch die drastische Erotik des Stückes. So wird in diesen drei einviertel Stunden im Orcherstergraben und auf der Bühne „viel Liebe gemacht“. Faszinierend, wie es die Regie schafft, Gewalt und Sex immer als psychologisch nachvollziehbar darzustellen. Dazu bedarf es großer schauspielerischer Leistungen der Sänger: Ein Blick, eine kleine Geste, ein Lächeln oder Grinsen auf dem richtigen Akzent der Musik entscheidet über Interpretationsnuancen.

Eine Schwarz-weiß-Malerei wird nicht zugelassen, jeder ist Opfer und jeder ist Täter. Die großartige Nicola Beller Carbone – die in Weimar die Rolle der Salome souverän verkörperte – harmoniert als Katerina aber nicht nur im schauspielerischen Bereich mit den männlichen Hauptdarstellern: Jon Pescevich, polternd und sensibel als Schwiegervater Boris, Erin Caves, liebend und verachtend als Geliebter Sergej, und Frieder Aurich, ängstlich und autoritär als Ehemann Sinowi. Carbone kann ihre stimmlichen Qualitäten in dieser Partie hervorragend umsetzen.Nur wenige Momente werden über die Textvorlage hinaus interpretiert, aber gerade sie machen die brutalen Verhältnisse der Handlung etwas erträglicher. Momente, die betroffen machen und entsprechend der Intention von Regie und Dramaturgie wirklich Wahrheit aufzeigen. Zwischenmenschliche Wahrheiten, die nachdenklich machen. Ein Stück über Liebe, Verbrechen, Gewalt, sexuelle Selbstbestimmung, Enttäuschung, Hass ist zeitlos und immer aktuell.