Katja Kabanova

Leoš Janáček
23.03.2007 | Staatstheater Kassel

MUSIKALISCHE LEITUNG: Rasmus Baumann
REGIE: Gabriele Rech
BÜHNE + KOSTÜM: Nicola Reichert
DIKOJ: Stephan Owen
BORIS: Thomas Piffka
KABANICHA: Lona Culmer-Schellenbach
TICHON: Mark Bowman-Hester
KATJA: Janes Harach
KUDRJASCH: Lars Rühl
BARBARA: Terhi Kaarina Lampi

Presse

Katja Kabanova – von Georg Pepl Feuilleton
Harte Herzen in der Kleinbürgersiedlung

Am Staatstheater Kassel findet Gabriele Rech eine emotional einleuchtende Lesart für Leos Janáceks „Katja Kabanowa“

Zu welchen oft fruchtbaren, manchmal müßigen Diskussionen kann die Oper Anlass geben! Was bedeutet dieses Symbol, was jenes, und worauf läuft die Regie hinaus? Nun hat Gabriele Rech Katja Kabanowa in Kassel inszeniert, und all diese Fragen erübrigten sich. Keine Mätzchen, nichts vordergründig „Interessantes“ gab es, stattdessen eine klar erzählte, aufwühlende Geschichte. Bei der Premierenfeier fand Intendant Thomas Bockelmann das passende Stichwort: Im kleinen Leben liegt der große Schmerz.

Katja Kabanowa, die pessimistischste Janácek-Oper, spielt bei Rech in einer heutigen, von latenter Gewalt geprägten Kleinbürgersiedlung. Nicola Reicherts Bühne zeigt zellenartige Wohneinheiten auf zwei Stockwerken, einen Spielplatz samt Bänken, gestutztem Baum und Schaukel, einen Vorgarten. Ein unsagbar enges, trostloses Milieu. Bis ins kleinste Detail, oftmals in gleichzeitigen Aktionen, wird das Personengeflecht erhellt. Die bigotte, hartherzige Kabanicha und der Kaufmann Dikoj etwa ergehen sich in einer Sadomaso-Beziehung, was Rech – drastisch und taktvoll zugleich – durch einige Peitschenschläge der Kabanicha andeuten lässt, bevor ein Vorhang das Treiben verhüllt.

Schauerlich ist es, wenn die Nebenfigur Kuligin, hier ein Obdachloser, der verzweifelten Katja seine Lalalas entgegen singt. Und die Wolga-Idylle fehlt. Nachdem die Titelheldin sich die Pulsadern aufgeschnitten hat, plumpst sie in ein Loch, unter dem der Fluss fließt, die weggesperrte Natur.

Eine Oper als Schauspiel

Die minuziöse Personenführung, gleichsam eine Oper als Schauspiel, setzen die Darsteller beherzt um.

Katja Kabanova Mai 2007 – www.Opernwelt.de
Alles ist offen. In der Kleinbürgermietskaserne samt tristem Innenhof fehlen die Wände. Jeder kann jeden sehen. Nur eine hat einen Vorhang, die Kabanicha, unangefochtene Herrscherin über den Block. Eine Domina im doppelten Sinne: Blockwart und sexuelle Herrscherin über Kaufmann Dikoj (Stephen Owen), dem sie mit der Peitsche zu Leibe rückt. Damit die anderen nicht sehen, wenn Sittenstrenge über die Stränge schlägt, braucht diese Kabanicha einen Sichtschutz.

Das Bühnenbild von Gabriele Rechs «Katja»-Neuinszenierung ist ein Blickfang und zugleich verdichtetes, in eine undefinierte Gegenwart geholtes Sinnbild für die Enge der Personenkonstellation. Raum für kleine oder große Fluchten gibt es nicht. Nur ein klitzekleines Gärtchen für die Auszeit. Hier entspannen sich der freigeistige Lehrer Kudr­jasch und seine Barbara; hier vereinbaren Katja und Boris (Thomas Piffka) Liebesnächte; hier zeigt sogar die Kabanicha ein wenig Gefühl.

Johannes Mundry