Gianni Schicchi

Giacomo Puccini
09.05.2013 | Oper Köln

MUSIKALISCHE LEITUNG: Will Humburg
REGIE: Gabriele Rech
BÜHNE: Dieter Richter
KOSTÜM: Sandra Meurer
PHOTOS: Bernd Uhlig
GIANNI SCHICCI: Scott Hendricks
GHERARDO: John Heuzenroeder
NELLA: Aoife Miskelly
BETTE DE SIGNA: Matias Tosi
SIMONE: Ulrich Hielscher
MARCO: Christopfer Bolduc
CIESCA: Romina Boscolo
ZITA: Dalia Schaechter

Presse

Köln, Il Trittico. Premiere – 09.05.2013 – Der neue Merker
Wagners „Parsifal“, Schrekers „Gezeichnete“ und nun Giacomo Puccinis „Il Trittico“ in kurzer Folge hintereinander – ein gewaltiger Kraftakt der Kölner Oper. Er ist freilich vor allem der Tatsache geschuldet, dass gegenwärtig in Ausweichspielstätten en suite gegeben werden muss und Produktionen innerhalb weniger Wochen abgespielt sind, sofern nicht irgendwann eine Wiederaufnahme erfolgt. Vor der vollständigen Einakter-Kollektion des „Trittico“ scheuen sich Theater noch immer, vor allem wegen des Mittelteils „Suor Angelica“. Gegen die rührende Geschichte einer zum Nonnendasein gezwungenen jungen Frau, die erst nach quälenden Jahren der Ungewissheit erfährt, dass ihr (uneheliches) Kind gestorben ist, kann man sich durchaus kritisch wenden, vielleicht sogar verschärfend von „rührselig“ sprechen. Doch sollte man offen sein für den fein geäderten Schmerzenston von Puccinis Musik und überprüfen, ob Ablehnung nicht vielleicht eher ein Vorurteil ist.

Der krasse Atmosphärewechsel ist für die angemessene Wirkung des „Trittico“ freilich von Bedeutung. Umschlossen von dem Krimi „Il Tabarro“ und der burlesken Gaunerkomödie „Gianni Schicchi“ gewinnt der über weite Strecken fraglos süßliche „Angelica“-Sound Glaubwürdigkeit und dramaturgische Stringenz. Naheliegend wäre somit die Verpflichtung eines einzigen Teams, welches diese Spannungskurve interpretatorisch sinnfällig umsetzt. Köln hat
indes 3 Regisseurinnen verpflichtet. Gleichbleibend ist hingegen der dreistöckige Bühnenbau, den DIETER RICHTER mit optischen Accessoires jedoch einfallsreich vom Lastschiff am Seine-Ufer über das Klosterinterieur bis hin zur Villa des toten Buoso Donati abwandelt. Dass Frauen inszenieren, beeinflusst die konzeptionellen Ergebnisse nicht erkennbar. Das letzte Kölner „Trittico“, vor gut 2 Jahrzehnten von Willy Decker erarbeitet, hatte etwa in der „Angelica“ einen ähnlich weichzeichnenden Anstrich…….

GABRIELE RECH variiert bei „Gianni Schicchi“ die Introduktion dadurch, dass sie Buoso Donati noch lebend während eines Mahls inmitten seiner Verwandten zeigt. Nachdem ihn wohl ein Schlaganfall ereilt hat, geht die Essenszeremonie ungerührt weiter. Später wird der Tote durch eine Bodenluke in den Keller „entsorgt“. Die köstlichen karikaturistischen Zuspitzungen der Regie, die sich auch in den Kostümen von SANDRA MEURER niederschlagen, lassen sich nicht alle aufzählen.
Besonders kesses Detail am Rande: der feuerrote Büstenhalter, welcher in Donatis Bett entdeckt wird und mit dem der Rotzlöffel Gherardino anzüglich zu
spielen beginnt. Alle Mitwirkenden brillieren sowohl sängerisch als auch darstellerisch. Neben John Heuzenroeder (Gherardo), AOIFE MISKELLY (Nella), MATIAS TOSI (Betto di Signa), dem Kölner Urgestein Ulrich Hielscher (Simone), dem bemerkenswerten CHRISTOPHER BOLDUC (Marco) und Romina Boscolo (Ciesca) wäre neuerlich Dalia Schaechter mit ihrer hinreißend bärbeißigen Zita hervorzuheben. Scott Hendricks gibt dem Schicchi eine besondere Form intellektueller Bauernschläue mit, prunkt mit seiner gesunden Stimme, die man vor gut einem Jahrzehnt erstmals kennenlernte, als der Sänger fest zum Ensemble gehörte. Die Rinuccio-Kantilenen blühen dank JEONKI CHOs schmelzreichem Tenor herrlich auf, GLORIA REHM, die tolle Nachwuchssängerin, ist bei Zerbinetta freilich noch stärker zu Hause als bei der kindhaft lyrischen Lauretta. Für den Spinelloccio ist BODO SCHWANBECK (*1935) aufgeboten, trotz seinem 2009 verkündeten Karriereende noch voll da. In Köln erlebte man ihn in den 60er Jahren u.a. als Beckmesser.

Ein besonderes Ereignis der Puccini-Produktion ist zweifelsohne der Dirigent WILL HUMBURG…….das Klangergebnis mit seinen Farbdetails und der subtilen Agogik ist frappierend und faszinierend. Und wer die Einführungsmatinee einige Tage zuvor erlebte, kam aus dem Staunen nicht heraus über die Wissensfülle dieses vitalen Musikers und seine Fähigkeit, seine Kenntnisse rhetorisch lebendig und unakademisch zu vermitteln.

Christoph Zimmermann

Die Wünsche der Frauen – 09.05.2013 – KlassikInfo.de
Drei Regisseurinnen inszenieren Giacomo Puccinis drei Einakter „Il Trittico“- eine Entscheidung noch aus der Intendanz von Uwe-Eric Laufenberg und eine spannende, die einen vierstündigen Abend trägt

(Köln,9. Mai 2013) Jede Regisseurin geht, begleitet von einer eigenen Kostümbildnerin anders an ihren Einakter heran. Sabine Hartmannshenn gelingt in „Il Tabarro“ eine eindringliche Beziehungsstudie in einem Dreiecksverhältnis, die in die Katastrophe treibt. Bei Eva-Maria Höckmayer rasen rote und schwarze Nonnen allerdings ziemlich wirr durch die Szenen. Dennoch großer Jubel am Schluss. Gabriele Rechs witzig und überbordend inszenierter „Gianni Schicchi“ setzt dem Abend die Krone auf.

Schon als sich der Vorhang zu diesem dritten Akt hebt lacht das ganze Opernzelt! Eine absurde Gesellschaft – wie man sie aus Fellini-Filmen kennt – verharrt an einer weiß gedeckten Tafel wie eingefroren: mit Turmfrisur, Kuhmantel oder schwarz-weiß Gestreiftem. Mit dem ersten Ton aus dem Graben wird sie nicht nur lebendig, die Großfamilie lebt auf in kleinen wie in großen Gesten! Gabriele Rech zeichnet jede einzelne Personalie des Donati-Clans grotesk genau und führt sie durch rasende Aktionen hindurch, mit einem perfekten Gefühl fürs Timing.

Inmitten dieser grandios spielenden Bühnenpersonen ragt wie immer Dalia Schaechter, die Grande Dame des Kölner Ensembles und des Abends, heraus. Im ersten „Tabarro“-Akt eine lumpige Hafenbraut, dann die gnadenlose Tante in „Suor Angelica“ und läuft zur Hochform auf als adlige Familienoberhäuptin einer Florentiner Familie. Mit Grandezza wirft sie ihren Pelzmantel über, wenn es gilt, den standesungemäßen Gianni Schicchi in seine Grenzen zu verweisen. Der ist natürlich dem adligen Muff mit seiner Gerissenheit letztendlich überlegen.

Scott Hendricks füllt diese Baritonpartie stimmlich und spielerisch großartig aus. In Schicchis Arie „Addio, Firenze“, beispielsweise, wo er über die ihn treffende Strafe fantasiert, falls der Betrug herauskommt. Aber auch als ernster und von seiner Frau zurückgewiesener Schiffsbesitzer Michele in „Il Tabarro“ hat er stimmlich und spielerisch überzeugt.

Auf den ersten Blick haben die drei Einakter ja wenig miteinander zu tun. „Il Tabarro“ ist eine Art Film Noir, der am Seine-Ufer spielt, und handelt von einer unglücklichen Ehe, in der zum Schluss der Mann den Liebhaber der Frau umbringt. In der Deutung von Sabine Hartmannshenn bringt die Frau zum Schluss ihren Liebhaber um die Ecke, weil sie es nicht schafft, sich für ihre Gefühle und gegen den Mann durchzusetzen.
„Suor Angelica“ führt aus der harten Männerwelt hinaus. Es ist ein reines Frauenstück, spielt im Frauenkloster und beschreibt die Ängste und Nöte einer Nonne, die wegen eines unehelichen Kindes aus der Familie ausgestoßen wurde.
„Gianni Schicchi“ dagegen ist eine schwarze Komödie, in der ein geldgieriger Familienclan das Testament des gerade verstorbenen reichen Onkels zu seinen Gunsten fälschen will, aber von einem Schlitzohr überlistet wird.

Jedes Mal geht es um gescheiterte Beziehungen und ungestillte Sehnsüchte. Zunächst ernst, dann rührselig, zuletzt witzig. Die Klammer liefert das Einheitsbühnenbild von Dieter Richter, das durch die Verlagerung des Bühnenbodens mal mehr Unterwelt, mal mehr Raumhöhe, beziehungsweise Himmel gewinnt.

Der puccinische Wohllaut aus dem Orchestergraben unter Will Humbug phrasiert die Szenen und unterstützt wohldosiert die Sängerinnen und Sänger. Jacquelyn Wagner treibt als Suor Angelica in ihrer rührseligen Arie „Senza mamma“ so manche Träne in Zuschaueraugen. Am meisten überzeugt die runde und warme Stimme der Asmik Grigorian als Giorgetta im „Tabarro“. Und auch Gloria Rehm als Lauretta wickelt mit viel Wohllaut Gianni Schicchi, ihren „Babbino caro“, um den Finger. Puccini kannte sich mit Frauen und ihren Wünschen hörbar gut aus!

Sabine Weber

Dreimal Frauensache – 09.05.2013 – Der Opernfreund
Bereits nach den großen Opernprojekten von Wagners „Parsifal“ und Schrekers „Die Gezeichneten“, hat die Kölner Oper in ihrem blauen Interimszelt am Dom mit Puccinis drei Einaktern erneut einen aufwendigen Abend als letzte Neuinszenierung der Saison herausgebracht. Dieter Richters Bühnenbild dominiert die riesige Bühne des ehemaligen Musicaltheaters aufwendig und entwirft mit wenigen Umbauten jeweils sehr genaue Spielstätten für die unterschiedlichen Werke, die drei Regisseurinnen anvertraut sind. …

Gabriele Rech gibt dann in der schwarzen Komödie um „Gianni Schicchi“ dem Affen ordentlich Zucker, da darf herzhaft gelacht werden, weil die geldgierige, italienische Sippe als wunderbarer Typenzirkus vorgeführt wird. Sandra Meurers Kostüme sind Augenweide, wie Charakterisierungsmasche, ganz hervorragend.

Musikalischer Spiritus Rector des Abends ist Will Humburg, der sicherlich als einer der besten Operndirigenten bezeichnet werden darf, denn mehr kann man nicht aus Puccinis wundervollen Partituren herausholen, da gerät nichts zu blossen Schönklang, sondern wird einer sorgfältigen, musikalischen Analyse unterzogen, ohne je die Gesamtwirkung aus den Augen zu verlieren, da gibt es wirklich viel zu entdecken, was man normalerweise nicht so einfach heraushört, daß Humburg nebenbei auch ein ausgezeichneter Sängerdirigent ist, der stets mithört, sei nur nebenbei erwähnt. Die Modernität der Opern wird nicht unter den Tisch gekehrt, da wird jedoch auch nicht auf auf Effekte verzichtet, die Schicchi-Ensembles entwickeln ein rasantes Tempo bei größter Sicherheit, da könnte man einfach von vielen Details endlos weiterschwärmen, grandios! Ebenso grandios, wie das Gürzenich Orchester an diesem Abend aufspielt, denn besser geht fast nicht. Wirklich ein toller Abend mit dem nicht ganz bekannten Puccini, der hier seine völlige, verdiente Wertschätzung erfährt.
Martin Freitag

Operation am Leib einer krankenden Gesellschaft – 11.05.2013 – Deutschlandfunk
In Giacomo Puccinis „Il Trittico“ ist eine Menge sozialer Sprengstoff enthalten.

Drei Frauen inszenieren die drei Einakter in Giacomo Puccinis „Il Trittico“ an der Oper Köln

Es beginnt mit einer zerrütteten Ehe und endet mit dem Tod: Giacomo Puccinis Oper „Il Trittico“ ist eine Art Triptychon der untragbaren Schuld, der Gegenwartshölle. Auch wenn der dritte Einakter als Komödie angelegt ist.

In keinem seiner anderen Werke hat Puccini einen so sozialkritischen Ton angeschlagen wie in seinem „Trittico“, vor allem im ersten Teil „Der Mantel“. Das erbärmliche Leben des Proletariats, eine milieuspezifische körperliche Gewalt, die abgeschmackten Träume der Habenichtse – das alles ist bei Émile Zola nicht trister …

Überhaupt sind die drei Regisseurinnen des Abends auf Vernetzung aus. Jede ist für einen Teil verantwortlich und doch haben sie sich an die gemeinsame Operation am Leib einer krankenden Gesellschaft gemacht. Nachdem die Unterschicht behandelt ist, nimmt sich Eva-Maria Höckmayr in „Schwester Angelika“ die Bourgoisie vor, ebenfalls um 1900, in den besseren Etagen des Stapelhauses …

Nach Bürger und Arbeiter ist im dritten Teil des „Trittico“ der Adel an der Reihe oder die geldgeile Elite unserer Spaßgesellschaft. Inszeniert als witzige Slapstickkomödie mit felinesker Boshaftigkeit von der dritten Frau im Regietrio, Gabriele Rech.

Eine Wucht unter den erbschleichenden Damen die Sängerin der Zita, Dalia Schaechter. Als fabelhafte Komödiantin war die Altistin schon im „Mantel“ aufgetreten, und in „Schwester Angelika“ hatte sie als böse Tante das Fürchten gelehrt. Musikalisch hätte Will Humburg den ganzen impressionistischen bis expressiven Reichtum der „Trittico“-Partitur zeigen können, hätte er einen anderen Raum gehabt. Die Ausweichspielstätte im Musical Dome aber verschlingt allen Glanz und alle Feinheiten. Die Musiker haben das Beste aus der blauen Mülltüte herausgeholt, wie das Zelt in Köln genannt wird. Und mit ihnen der durch die Kölner Kulturpolitik vertriebene Intendant Uwe Eric Laufenberg. Unter ihm ist dieser gelungene Puccini-Abend auf die Beine gestellt worden, bevor er Köln verlassen musste …

Noch klingt es schön am Rhein.

Von Christoph Schmitz

Kölner Oper überzeugt mit Giacomo Puccinis „Trittico“ – 12.05.2013 – Neue Osnabrücker Zeitung
Erbschleicher und Ehebrecher

Köln. Selten gespielt, aber brillant: Köln zeigt Giacomo Puccinis „Trittico“ – und sticht damit Düsseldorfs in den „Tannhäuser“-Eklat verstrickte Oper aus

In Düsseldorf ist Tannhäusers „Sängerkrieg“ von der Wartburg auf die Leitung der Deutschen Oper am Rhein übergesprungen: Die Absetzung der neuen Inszenierung hat den Intendanten Christoph Meyer in Erklärungsnöte gebracht. Ein paar Kilometer rheinabwärts an der Kölner Oper geht es dagegen – ausnahmsweise – friedlicher zu. Und seriöser. Nach 20 Jahren steht endlich wieder Giacomo Puccinis „Trittico“ auf dem Spielplan, ein Triptychon dreier Einakter über das Verhältnis des Menschen zum Tod – „Tabarro“ (Der Mantel) erzählt es als düster-veristisches Drama, „Suor Angelica“ (Schwester Angelica) als ergreifendes Rührstück. „Gianni Schicchi“ als bitterböse Burleske. Drei junge, hoffnungsvolle Damen versuchen sich an an den subtilen, pointiert zugespitzten Kurzopern.

Die Versuche sind rundum geglückt. Dennoch verdient zunächst Will Humburg am Pult des Gürzenich-Orchesters Erwähnung. Der ehemalige Münsteraner GMD bestätigte seinen Rang als einer der besten Opern-Dirigenten unserer Zeit. Er arbeitete das spezifische Kolorit der drei Stücke punktgenau heraus, entfaltete einen leuchtenden Orchesterklang und atmete vom ersten bis zum letzten Takt mit den Sängern.

Gabriele Rech aus der „Schule“ Christof Loys und Dietrich Hilsdorfs treibt die Bösartigkeit der abschließenden Erbschleicher-Komödie um „Gianni Schicchi“, ein bauernschlauer Underdog, der der heuchlerischen Florentiner Patriziermeute das fette Erbe wegschnappt, auf die Spitze – mit viel Feinarbeit und Gespür für das Timing der quirligen, filigran gestrickten Musik. Auch sie verzichtet auf Klamauk oder extravagante Konzeptionen und tut das, was sich bei Puccini und vielen anderen seiner Kollegen immer empfiehlt: das Libretto genau lesen und auf die Musik hören. Scott Hendricks führte in der Titelrolle ein durchweg hochwertiges Ensemble an.

Alle drei Stücke spielen in einem Einheitsbühnenbild von Dieter Richter, das den Werken mit geringfügigen Modifizierungen angepasst wird. Zwei Etagen geben Einblick in eine bewegte Kellerlandschaft und einen weiten salonartigen Raum mit vergitterten Fenstern, die zugleich Weite und Einschränkung andeuten. Begeisterter Beifall für eine rundum gelungene Wiederbegegnung mit einem der interessantesten Werke Puccinis und des frühen 20. Jahrhunderts.

Neue Osnabrücker Zeitung, Pedro Obiera

Der Operndreiteiler „Il Trittico“ von Puccini in Köln : Tragisch bis komisch – 14.05.203 – Domradio.de
Die menschliche Apokalypse in drei Teilen: ein Eifersuchtsdrama im Hafenviertel von Paris, die Tragödie rund um die Nonne und Mutter Angelika und die Skrupellosigkeit der Menschen angesichts eines reichen Erbes. In der Kölner Inszenierung von „Il Trittico“ haben drei Regisseurinnen und das Gürzenich-Orchester unter Will Humburg ihrem Publikum einen tief bewegenden wie heiteren Opernabend beschert. …

Ganz im Gegensatz zu diesen dramatischen ersten beiden Stücken steht das dritte Opernwerk „Gianni Schicchi“ . Es ist eine Komödie, die sich an eine Episode in Dantes Göttlicher Komödie anlehnt,und durchdrungen ist von einer gepfefferten Prise schwarzem Humor. An einer langen Tafel haben sich die Erben des reichen Buoso Donati versammelt. In der Inszenierung von Gabriele Recht haben sie dem Verbleichen ihres Goldesels beim Festmahl ein wenig nachgeholfen. Doch dieser hat in seinem Testament alles Geld einem Kloster vermacht. Der ungeliebte Neureiche Gianni Schicchi soll diese Ungeheuerlichkeit zum Guten wenden. Gabriele Recht hat es verstanden, die schwarze Komödie „Gianni Schicchi“ mit herrlich situationskomischen Szeneneinfällen zu einem heiteren Highlight am Ende des Puccini-Abends werden zu lassen.

Der musikalische Leiter Will Humbug und das Gürzenich-Orchester tauchten die Inszenierungen virtuos in eine hochemotionales, in allen musikalischen Farben vibrierendes Klangerlebnis. Das Publikum war begeistert …

Köln – drei Opern an einem Abend – 15.05.2013 – RP
Köln (RP). In der Ausweichstätte am Dom gelingt mit Puccinis „Il Trittico“ der große Wurf.

Mit den drei Einaktern von „Il Trittico“ wollte Giacomo Puccini das ganze Spektrum des Musiktheaters an einem einzigen Abend auf die Bühne bringen. Die Dreiteilung hat den Kölner Ex-Intendanten Uwe Eric Laufenberg bei der Planung seinerzeit auf die Idee gebracht, die drei Opern an drei Regisseurinnen zu vergeben – unter der Maßgabe, dass sich alle mit Dieter Richters Einheitsbühnenraum arrangieren.

So fungiert der dreistöckige Raum, der unterschiedliche Tableaus des Verfalls zeigt, als dramaturgische Klammer. Im dumpfen Keller gammelt zunächst Gerümpel (Il tabarro) vor sich hin, dann wird er zum Ort verdrängter Vitalität (Suor Angelica), schließlich zum Zwischenlager der sprichwörtlichen Leiche (Gianni Schicchi). …

An Almodóvars durchgeknallte Filme schließlich fühlt man sich bei Gabriele Rechs sprühender Inszenierung von „Gianni Schicchi“ versetzt: Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs und Strizzis überbieten einander an Bosheit und Raffsucht. Rech stilisiert die Erbschleicher-Komödie konsequent, das Ganze balanciert auf der Grenze zum Klamauk, stürzt aber nicht ab.

Das spielfreudige Ensemble ist eine Wucht, wobei Scott Hendricks in der Titelrolle die Palme gebührt. Die Trumpfkarte dieser rundum gelungenen Produktion aber ist Will Humburg im Graben des Gürzenich-Orchesters, der einen ungemein mitreißenden, dabei fein austarierten Puccini dirigiert und die Sänger in der schwierigen Akustik der Ersatzspielstätte butterweich bettet.

von Regine Müller

Puccinis „Il Trittico“ in Köln – 01.06.2013 – KulturKenner NRW
Puccinis drei Einakter, die sich zum Triptychon fügen, vereinen, was unversöhnlich scheint: Einen düsteren Thriller (Il Tabarro/Der Mantel), eine mystisch angehauchte Tragödie hinter Klostermauern (Suor Angelica /Schwester Angelica) und eine bösartig derbe Komödie um Erbschleicherei (Gianni Schicchi). Der Komponist hatte nicht weniger im Sinn, als das Spektrum des Musiktheaters zwischen Drama und Kömödie an einem Abend auszuleuchten und aus drei Blickwinkeln eine Art Welttheater zu zeigen. Ein Theater der Grausamkeiten, das auch die Komödie nicht ausklammert.

In Köln wurden drei Regisseurinnen unter der Maßgabe engagiert, sich mit dem (allerdings veränderbaren) dreistöckigen Bühnenraum von Dieter Richter zu arrangieren. Auf den Ebenen verteilt sich ein Tableau in pittoresk angegammelter Grundstimmung, das sowohl als Schifferkahn, wie auch als Kloster- bzw. Villen-Interieur funktioniert. Im Keller gammelt zunächst Gerümpel (Il tabarro), dann wird es ein Ort verdrängter Vitalität (Suor Angelica), schließlich zum Lagerort der sprichwörtlichen Leiche im Keller (Gianni Schicchi) …

An Pedro Almodóvars knallige Filme fühlt man sich bei Gabriele Rechs sprühender Inszenierung von „Gianni Schicchi“ versetzt: Wohin man schaut, stöckeln Frauen am Rande des Nervernzusammenbruchs, Strizzis und schräge Typen überbieten einander in Bosheit und kurios überhöhter Raffsucht. Stilisiert und choreografiert wie auf Millimeterpapier, balanciert das Ganze geschickt auf der Grenze zum Klamauk, ohne doch abzustürzen. Das spielfreudige Ensemble ist eine Wucht, voran Scott Hendricks in der Titelrolle.

Trumpfkarte der gelungenen Produktion ist Will Humburg am Pult des Gürzenich-Orchesters, der einen ungemein klangsinnlichen, fein austarierten spannenden Puccini dirigiert und die Sänger in der schwierigen Akustik der Ersatzspielstätte butterweich bettet. Selten ist Puccinni so mitreißend und zugleich sensitiv zu hören.

Im Bann Puccinis – Theater Pur
Es ist ein ganz seltener Moment, Puccinis Il Trittico komplett auf der Bühne zu erleben. In Nordrhein-Westfalen realisierte das zuletzt bildgewaltig die damalige Dortmunder Opernintendantin Christine Mielitz. Nun wagen es in Köln sechs Damen – flankiert von zwei Herren. Mit phänomenalem Ergebnis.

Dieter Richter baut die Einheitsbühne für alle drei Teile: eine lichtdurchflutete Halle mit Kellergewölbe. Richter weiß, worauf es ankommt und schafft wie stets wunderbar bespielbare Räume. In diesem Fall hat die horizontal geteilte Bühne aber noch einen Vorteil: Die Tatsache, dass die Sänger höher stehen als sonst, lässt deren Stimmen trotz der wattigen Akustik in dem Musical Dome („ Oper am Rhein“) gut zur Geltung kommen

Mit derlei Schicksalsschlägen müssen sich Gabriele Rech und Sandra Meurer nicht herumschlagen. Sie dürfen in Gianni Schicchi alle Register der Komik ziehen, tun dies ausgiebig und lassen keine Wünsche offen. Meurer gibt den geldgierigen Verwandten durch farbig-kontrastreiche Kostüme Individualität – vom Pelz der ältlichen Cousine bis zur Jacke in Kuhfell-Optik des armen Vetters. Rech lässt es durchaus derber zugehen auf der Bühne. Aber das verträgt Gianni Schicchi – und auch die Wiederholung von Gags wie die Verbannung des unbotmäßigen Knaben per Fahrstuhl in den Keller. Dank schneller, bewegungsreicher Personenführung ist dieser dritte Teil ein perlender, quicklebendiger Abschluss des tollen Abends.

Zu diesem trägt aber auch das Ensemble erheblich bei: Die großartige Dalia Schaechter punktet in allein drei Teilen: als fast debile, sammelnde und doch gewitzte Frugola gelingt ihr eine ebenso berührende Charakterdarstellung wie als eiskalter und dennoch mitleidender Fürstin. Und ihre den Schicchi anflirtende ältliche Zita ist köstlich. Scott Hendricks ist ein ebenso tief verletzter Michele wie ein gewitzter, vor Leben pulsierender Schicchi, dessen flexibler Bariton dessen umhereilende Gedanken perfekt umsetzt.

Und der zweite Mann, der den gesamten Abend begleitet? Will Humburg stürzt das Gürzenich-Orchester förmlich in einen wahren Puccini-Rausch: ebenso schwelgerisch wie detailverliebt – das war unglaublich gut.

Eine tolle Adaption des Trittico. Frauenpower kombiniert mit zwei Herren schafft einen rundherum beglückenden Theaterabend

von Thomas Hilgemeier

Rundherum gelungen – opernnetz
Manchmal ist das Leben mehr als Mathematik. Nämlich beispielsweise dann, wenn das Gesamtkunstwerk mehr ergibt als die Summe seiner Einzelteile. Die Idee dazu stammt noch vom zukünftigen Wiesbadener Intendanten Uwe Laufenberg: Drei Frauen inszenieren drei Einakter, die an einem Abend als Il Trittico gezeigt werden. Das Ganze in einem Bühnenbild, das Dieter Richter so einrichten musste, dass es nicht nur den schwierigen akustischen Verhältnissen des Spielortes, sondern auch gleich drei Einaktern gerecht wird. Es ist nicht Richters erster Geniestreich, aber hoffentlich auch nicht sein letzter. Er teilt die Bühne in drei Ebenen mit wechselnder Bedeutung, ohne dass die Grundelemente sich ändern. Darauf muss man erst mal kommen …

Ebenso deutlich bleiben die handelnden Personen in Gianni Schicchi im Vordergrund. Die erste Etage wird zur Dachterrasse, das Erdgeschoss zur Wohnebene einer Stadtvilla, unter der ein Keller zum Nebenspielort wird. Gabriele Rech eröffnet mit einer Tischszene à la Madame Tussaud so überzeugend, dass ihr Szenenapplaus zuteilwird. Eine großartige Personenführung, die mit Detailverliebtheit glänzt, den Protagonisten ein Höchstmaß an Leistung abverlangt und immer wieder das Komische der opera buffa hervorstreicht, ohne sich im Slapstick zu verlieren. Sandra Meurer kleidet das Ensemble in passende, teils ins Poppige reichende Kostüme. Für das rechte Licht in allen drei Stücken sorgt Nicol Hungsberg. Unaufdringlich unterstreicht er die Handlung und sorgt mit starken Effekten für die richtige Wirkung vor allem in den ersten beiden Stücken, wobei es in Gianni Schicchi auch eher auf die rechte Ausleuchtung ankommt, die adäquat gelingt.

Es ist, wie der Volksmund sagt, nicht alles Gold, was glänzt. An diesem Abend glänzt aber zumindest alles. Bravo-Rufe übertönen entblödet wirkende Buh-Rufe. Überragender Applaus für alle Beteiligten zeigt, dass ein Opernabend auch ohne Provokation ein herausragender Erfolg sein kann.

Michael S. Zerban