Gärtnerin aus Liebe

Wolfgang Amadeus Mozart
05.04.2003 | Musiktheater im Revier Gelsenkirchen

MUSIKALISCHE LEITUNG: Samuel Bächli
REGIE: Gabriele Rech
BÜHNE: Hermann Feuchter
KOSTÜME: Nicola Reichert
BELFIORE: Mark Adler
VIOLANTE / SANDRINA: Claudia Braun
AMTHAUPTMANN: Erin Caves
RAMIRO: Anna Agathonos / Marie Belle Sandis
ARMINDA: Regine Herman / Noriko Ogawa
SERPETTA: Elise Kaufmann
NARDO: Nyle P. Wolfe / Joachim Gabriel Maaß

Presse

Umjubelter Premierenstart 07.03.2003 – Ruhr Nachrichten
Umjubelter Premierenstart…dank eines fabelhaften Teams und des, dank der einfallsreichen Regie, in glänzender Spiellaune befindlichen Ensembles…. besonders erhellend die Kostümidee von Nicola Reichert: mit den Kleidungsstücken fallen nach und nach auch die Hüllen des schönen Scheins, darunter kommen immer wahnwitzigere Kostümierungen zum Vorschein.

H.-A. Heindrichs

Gärtnerin aus Liebe 13.04.2003 – Onlinemusikmagazin
Durch ein gutes Ensemble, eine orchestrale Spitzenleistung und eine engagierte und eigenwillige Inszenierung kann das Musiktheater im Revier einen weiteren Erfolg verbuchen! Die an das Rokoko angelehnten Kostüme von Nicola Reichert und das Bühnenbild von Hermann Feuchter visualisieren eindrucksvoll, wie die zunächst gepflegten Blumen und Gewächse auf Grund ihrer Vernachlässigung in die symmetrische Architektur des Palastes hineinwachsen und diese schließlich völlig überwuchern, während die Protagonisten im wahrsten Sinne des Wortes aus ihrer (zweiten) Haut fahren.

Gerhard Menzel

Sturm und Drang auf der Bühne – WAZ
Das Dickicht der Gefühle wuchert den Figuren über den Kopf. Sie gehen beinahe daran zugrunde… Die Herzen leiden, die Emotionen überschlagen sich, am Ende stehen auf der Liste: Ein Todesfall, ein geläutertes Paar, das dem Sommernachtsalbtraum entflieht und vier Verstörte. Ganz dicht ist Gabriele Rech dem Psychogramm einer Gesellschaft auf der Spur.

Sie hält die Beziehungen in der Schwebe und kippt das Singspiel ins Psychodrama. Liebe und ihre Unterarten können so grausam sein!

Hermann Feuchters Bühne und Nicola Reicherts Kostüme machen schnell klar, das alle im Gefängnis der Wünsche und Träume sitzen: Die weiße Architektur wird von Pflanzen überwuchert; die Kleider werden Häutungen gleich immer bunter und dünner. Die nackte Psyche kommt zum Vorschein.

Hans – Jörg Loskill

Gärtnerin aus Liebe – Westfälische Rundschau
Vögel zwitschern, Grillen zirpen. Die Natur dringt ein in das Schlossgemäuer und verwirrt die feinen Sinne der Rokokogesellschaft: Durch Türen und Fenster, ja selbst durch die Decke wuchern üppige sattgrüne Pflanzen. Auf Knopfdruck sprießt es überall, auch in den Herzen von Gräfin Violante und Graf Belfiore. […]

Seltsam übermütiges Frühlingserwachen überall. […] Die Inszenierung kredenzt ein tropisches Liebes-Abenteuer, dessen Premiere die Zuschauer in Frühlingsverzückung versetzte.

Mit einem exzellenten hauseigenen Ensemble mausert sich das Musiktheater im Revier, avanciert damit in die Operncharts. Denn einen derart feinnervig pulsierenden Mozart mit hintergründigem, manchmal aber auch deftigem Humor auf die Bühne zu hieven, ist in NRW selten. Köstlich und mit einem Schuss Häme, der Mozart gefallen hätte, nimmt Regisseurin Rech die Typen auf die Schippe, nimmt sie in ihrem Kummer aber ernst.

Michael Georgsmüller

Rokoko – Natur – Wahnsinn 05.04.2003 – www.omm.de
„… lassen Sie sich von Gabriele Rechs anmutiger Rokoko-Inszenierung in Hermann Feuchters immergrün üppigem Bühnenbild frühlingshaft erheitern und inspirieren!“

Wer dieses Vorwort von Peter Neubauer im Programmheft von Mozarts Die Gärtnerin aus Liebe gelesen hat, wird sich – spätestens nach der Pause – ordentlich wundern! Gleich der Anfang lässt das Publikum mit der Tür ins Haus fallen, da ohne Ouvertüre sofort die Introduktion beginnt. Dabei führt Mozart durch seine Komposition des (schon von anderen Komponisten vor ihm vertonten) Librettos weit weg von der herkömmlichen „komischen Oper“. Zwar beginnt das Stück mit einer zunächst „heiteren“ Introduktion, in deren Zentrum allerdings bereits die „Abgründe“ der einzelnen Personen aufgezeigt werden. Außerdem nehmen die Elemente der opera seria im Verlauf des Stückes mehr und mehr überhand.

Die Gärtnerin aus Liebe ist eine nachträgliche Umarbeitung des 1775 in München uraufgeführten Dramma giocosos La Finta Giardiniera, das Wolfgang Amadeus Mozart im Alter von neunzehn Jahren komponiert hatte (eine Produktion der La Finta Giardiniera an der Deutschen Oper am Rhein kam 1998 heraus). Neben der Übersetzung des Librettos aus dem Italienischen in die deutsche Sprache unterscheidet sich diese Version vor allem dadurch, dass die Rezitative durch gesprochenen Dialog ersetzt wurden. Diese Singspielfassung wurde im Jahr 1780 unter dem Titel Die verstellte Gärtnerin im Komödienstadl in Augsburg erstmals aufgeführt. Ansonsten sind viele Fragen in Bezug auf die Entstehungsgeschichte, Stoffwahl und Librettovorlage weitgehend ungeklärt.

Obwohl das Werk Entstehungsgeschichtlich zu Mozarts „Jugendwerken“ gehört, überrascht es durch die treffsichere musikalische Charakterisierung der Figuren und Situationen, die allerdings schon deutlich auf den späteren Musikdramatiker Mozart hinweisen. Die wechselweise sich durchdringenden buffa- und seria-Elemente sorgen dabei für ein scheinbar heilloses Durcheinander.

Die Gelsenkirchener Produktion bietet nun noch eine eigene Bearbeitung des Werkes. Dabei erwies sich die Zusammenarbeit von Samuel Bächli (Musikalische Leitung) und Gabriele Rech (Inszenierung) als äußerst fruchtbar und produktiv.

Zum Inhalt:
Don Anchise lebt zusammen mit seiner Haushälterin Serpetta und den seit einiger Zeit bei ihm angestellten Gärtnern Sandrina und Nardo, sowie dem von Liebeskummer geplagten Ramiro.

Nardo ist in Serpetta verliebt, die ihrerseits für Don Anchise schwärmt, der sich wiederum nur für die neue Gärtnerin interessiert.

Als Arminda, die Nichte des Don Anchise, eintrifft, um Belfiore zu heiraten, stellt sich heraus, dass es gerade sie ist, um die sich Ramiro grämt und dass Belfiore jener Mann ist, der seine Geliebte, die Gräfin Violante – die sich zur Zeit Sandrina nennt und auf der Suche nach eben diesem ist – aus Eifersucht niedergestochen hat und im Glauben, er hätte sie ermordet, geflohen ist.

Nach ausgiebigen Liebeswirren finden die Liebespaare schließlich zusammen und schlagen damit – zumindest äußerlich – den Bogen dieses Dramma giocoso, der sich in der Introduktion wiederspiegelt.

Diesen Bogen zeichnet Gabriele Rech in Gelsenkirchen allerdings nicht nach. Die letzte Szene ist gestrichen und statt des lieto fine endet das Stück mit dem „Abschiedsduett“ der beiden dem Wahnsinn verfallenen Liebenden Belfiore und Sandrina. Schon zuvor haben diese zwischenzeitlich (fast unbemerkt) auch von der deutschen in die ursprüngliche, italienische Sprache gewechselt. Alle übrigen Protagonisten lässt Gabriele Rech in ihrem hoffnungslosen Elend einfach zurück. Ansonsten überzeugt ihre Personenführung durch ausgezeichnetes Timing und einen virtuosen Umgang mit den zahlreichen Requisiten.

Auch die an das Rokoko angelehnten Kostüme von Nicola Reichert und das Bühnenbild von Hermann Feuchter visualisieren eindrucksvoll, wie die zunächst gepflegten Blumen und Gewächse auf Grund ihrer Vernachlässigung in die symmetrische Architektur des Palastes hineinwachsen und diese schließlich völlig überwuchern, während die Protagonisten im wahrsten Sinne des Wortes aus ihrer (zweiten) Haut fahren.

Angeführt wird das im großen und ganzen adäquat besetzten Ensemble von Claudia Braun als Sandrina, die sich mit ihrem silberhellen Sopran, ihre fabelhafte Technik und sichtbare Spiellaune die Gunst des Publikums errang. Mark Adler als Belfiore musste wieder einmal – zumindest zu Beginn – in die Rolle des Deppen schlüpfen, bevor er im zweiten Teil – vor allem zusammen mit Claudia Braun – seine lyrischen Qualitäten unter Beweis stellen konnte.

Beeindruckend gestaltete Erin Caves den Don Anchise, vor allem seine „Bravourarie“, in der er während der Verführung der Sandrina vom Orchester auf übelste Weise traktiert wird (die einzige Arie mit Pauken!). Regine Hermann als „Oberzicke“ Arminda, Marie-Belle Sandis als schwärmend schmachtender Ramiro, Elise Kaufman als kecke Serpetta und Nyle P. Wolfe als Nardo, rundeten das spielfreudige und den Intentionen der Regisseurin bedingungslos folgenden Ensemble ab.

Musikalisch herausragend präsentierte sich wieder einmal Samuel Bächli als Spiritus rector. Was er aus den Mitgliedern der Neuen Philharmonie Westfalen herausholte, verdient höchste Bewunderung. So differenziert und mit Herz und Seele musiziert, wird sogar dieses „Frühwerk“ Mozarts zu einem Meisterwerk. Vor allem die Balance von Streichern und Bläsern (hervorzuheben ist der Einsatz der Hörner!) ließen die Aufführung zu einem orchestralen Hochgenuss werden (das ständige Kommen und Gehen im halb hochgefahrenen Orchestergraben störte allerdings die intensive Bühnenspannung).

FAZIT
Durch ein gutes Ensemble, eine orchestrale Spitzenleistung und eine engagierte und eigenwillige Inszenierung kann das Musiktheater im Revier einen weiteren Erfolg verbuchen!