Elektra

Richard Strauss
17.10.2010 | Oper Köln

MUSIKALISCHE LEITUNG: Markus Stenz
REGIE: Gabriele Rech
BÜHNE: Matthias Schaller
KOSTÜM: Tobias Hoheisel
ELEKTRA: Catherine Foster
CRYSOTHEMIS: Edith Haller
KLYTÄMNSESTRA: Dalia Schächter
OREST: Samuel Youn
AEGISTH: René Kollo

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Presse

Ganz allein 17.10.2010 – www.Opernnetz.de
Das ist ein grausiges Reich, das die Königin Klytämnestra und ihr Liebhaber Ägisth beherrschen. Eine kühles, nüchternes Ambiente, geprägt von einer Art Schiffbrücke, die quer über der Bühne hängt. Dazu ein Personenaufzug, der hinauf bis in die (unsichtbaren) Königsgemächer führt. Unten am Boden liegen all die Leichen, den Göttern geopfert von der Königin, um den Mord an ihrem Gatten Agamemnon vergessen zu können. Der liegt konserviert, als solle eine Mumie aus ihm werden, in einem schwarzen Plastiksack. Mittendrin eine – neudeutsch ausgedrückt – schnörkellose Wohnlandschaft, in der Elektra völlig allein gelassen ihren Vater betrauert und auf Rache sinnt. Tiefster Hass auf alles, was irgendwie dem königlichen Hof angehört – das ist Elektras Lebensinhalt.

Matthias Schallers Bühnenbild ist ein im besten Sinn eher neutraler Raum, kein Palast sondern ein Ort im Hier und Jetzt, in dem Regisseurin Gabriele Rech (sie inszeniert zum ersten Mal am Kölner Haus) sich ganz auf die Psychologie der Figuren, auf ihre Pathologien und ihre Konflikte untereinander konzentrieren kann. Und das gelingt ihr auf höchst intensive Weise.

Catherine Foster ist bis hinein in die letzte Faser ihres Körpers diese Elektra, ist eine grandiose Sängerdarstellerin, die die Szene absolut beherrscht, ihr Publikum unmittelbar ergreift, höchste Emotionen weckt. Mit einem Sopran, der zwischen tiefster Melancholie und schärfster Aggressivität alle erdenklichen Facetten modellieren kann – faszinierend! Dalia Schaechter gibt die verhasste Klytämnestra mit großer gebieterischer Geste, stimmlich und schauspielerisch absolut präsent, Edith Haller eine durch und durch glaubwürdige, auf ein Leben jenseits von Hass und Rache hoffende Chrysothemis. Überragend Samuel Youn als Orest, der sehnsüchtig erwartete Rächer. Youn verfügt über einen raumgreifenden, äußerst kultivierten Bass, auch im Piano voller Substanz. Zu den ergreifendsten Momenten dieser Inszenierung gehört seine Ankunftsszene, seine (falsche) Nachricht vom Tod des Orest, das gegenseitige Erkennen der Geschwister: ein fassungslos machendes Lamento des Orchesters, zwei misstrauische, ungläubige, schließlich überglückliche Menschen.

Auch die kleineren Rollen sind bestens besetzt: Diener, Mägde, Schleppenträgerin und so weiter. Für den Aegisth haben die Kölner René Kollo engagiert, der seinen kerngesunden Tenor strahlen lässt.

In ausgezeichneter Form präsentieren sich Markus Stenz und das Gürzenich-Orchester, die Takt für Takt eine unglaublich suggestive Kraft entwickeln.

Das Ende von Elektra und Orest – das lässt Gabriele Rech offen. Elektra vollführt nach dem kollektiven Rachemord keinen Freudentanz mit tödlichem Ausgang, sie bleibt am Leben und sieht einer ungewissen Zukunft entgegen, zumal einer Zukunft ohne Orest. Der nämlich verschwindet durch den Zuschauerraum ins Irgendwo. Die Frage, ob vollzogene Rache und brutale Gewalt wirklich „Erfüllung“ bedeuten, bleibt im Raum stehen.

Rechs Deutung stieß beim Premierenpublikum auf breiteste Zustimmung. Geradezu frenetisch war der Beifall, Bravi-Chöre gab es für das Solistenensemble.

Christoph Schulte im Walde

Premierenreport 19.10.2010 – WDR.de
In der Kölner Oper hat die neue Spielzeit begonnen und eigentlich sollten ab jetzt wegen der geplanten Sanierung alle Aufführungen an anderen – ungewöhnlichen – Orten in Köln gespielt werden. Wir haben darüber ja schon berichtet, die erste Premiere fand im alten Gerling-Gebäude statt. Nun ist die Sanierung der Oper aber verschoben worden und so wird im maroden Opernhaus auch noch weiter gespielt. Gestern Abend fand dort die zweite Premiere der Saison statt: „Elektra“ von Richard Strauss, ein heftiges Stück aus der griechischen Mythologie – und die Musik dazu ist auch keine leichte Kost. Die Sache scheint aber richtig gut geworden zu sein. Also doch noch mal: große Oper im großen Opernhaus am Offenbachplatz.

Extreme Gefühle stehen im Mittelpunkt von Richard Strauss’ Oper „Elektra“. Es geht um Mord und Totschlag, um zerstörte Familienehre und blutige Rachegelüste bis hin zum Wahnsinn. Ein beklemmend schweres Thema – nichts für schwache Nerven.

Mit eindringlichen Bildern in einer ganz modernen Inszenierung hat die Regie diese düstere Geschichte aus der griechischen Mythologie auf die Bühne gebracht. Obwohl es gar nicht viel Handlung gibt, kommt keine Sekunde Langeweile auf. Die wirklich großartigen Sänger und das brillante Orchester sorgen hier musikalisch für Dramatik pur – allen voran Catherine Foster in der Rolle der „Elektra“. Faszinierend auch der Auftritt des berühmten mittlerweile 73-jährigen Startenors René Kollo.

Gerade mal eindreiviertel Stunde dauert dieser albtraumartigen Psycho-Thriller, doch er entpuppt sich als ein musikalisch-fesselnder Höllentrip, der das Publikum unweigerlich in seinen Bann zieht. Musikalisch, inhaltlich und auch optisch ist so manche Szene starker Tobak. Man sollte also wissen, auf was man sich hier einlässt. Wer aber die intensive Musik von Richard Strauss mag und sich von dem blutrünstigen Thema nicht abschrecken lässt, der kann hier eine ganz großartige Aufführung mit einer Spitzen-Besetzung erleben. Oper auf höchstem Niveau.

Nach der gestrigen Premiere gab es donnernden Applaus und viele Bravos für alle Sänger und für das Orchester. Für das Team um Regisseurin Gabriele Rech gab es neben vielen Bravos auch ein paar einzelne Buhrufe. Vor der Kamera äußerten sich aber alle Zuschauer begeistert.

Und nun die Lokalzeit-Kritik:
Man bekommt hier ein hochemotionales Opernerlebnis geboten,
das von Sängern wie Orchester mit Gänsehaut-erzeugender Intensität präsentiert wird und von der Regie dazu beklemmend karg inszeniert wurde.
Kurz: dieser Opernabend geht tief unter die Haut.
Daher alle fünf Sterne für „Elektra“ von Richard Strauss im Kölner Opernhaus

Schwarz wie Elektras Seele 19.10.2010 – Kölnische Rundschau online
Nach dem Erlebnis eines außergewöhnlichen Monteverdi-Abends im Gerling-Quartier stand mit der Tragödie „Elektra“ von Richard Strauss auf der heimischen Bühne der Kölner Oper eher vertraute Hausmannskost auf dem Programm – sollte man meinen.

Catherine Forster spielt die geheimnisvolle Elektra, die im Kerker gefangen ist. (Foto: Oper Köln)

KÖLN. Zwei Opernpremieren an einem Wochenende sind natürlich ein wuchtiges Ereignis für die eingeschworene Kölner Musiktheatergemeinde. Nach dem Erlebnis eines außergewöhnlichen Monteverdi-Abends im Gerling-Quartier stand mit der Tragödie „Elektra“ von Richard Strauss auf der heimischen Bühne der Kölner Oper eher vertraute Hausmannskost auf dem Programm – sollte man meinen.
Aber im Dreimädelhaus von Klytämnestra und ihren Töchtern Elektra und Chrysothemis entwickelte sich das Spiel der Geschichte um Lug und Trug, Hass und Rache als musikalisch-psychologische Innensicht im Sound des beginnenden 20. Jahrhunderts und mit Protagonisten, die in ihrem Fach ebenfalls erstklassig sangen. Es ist wohl ein aristokratischer Schlachthof, in dessen Kerker Elektra gefangen gehalten wird. Leichen pflastern ihre Couchlandschaft (Bühne: Matthias Schaller) für gehobene Gefangene, in diesem Falle ungeliebte Familienmitglieder, die auf blutige Rache sinnen.

Elektras Welt ist schwarz wie ihre Seele, wie ihr Kerker und wie ihr Kleid. Ihre Schwester Chrisothemis erscheint ängstlich naiv, und sie träumt von Geborgenheit im Familienglück. Ihr Kleid ist weiß (Kostüme: Tobias Hoheisel). Der Wahnsinn regiert in diesem Palast, und Regisseurin Gabriele Rech zeigt Klytämnestra als verrückte Hexe, deren Personal Verwirrung und Ängste schürt. Nicht die Schuld vertreibt den Schlaf in der Nacht, sondern die Furcht vor Rache. Diese soll und wird Orest vollziehen, Elektras kleiner Bruder wird kommen und morden – damit ist die Geschichte erzählt.

Rech würzt diese immerwährend blutige Story mit relativ dezent verspritztem Theaterblut, lässt verschiedene Akteure bereits im Publikumsraum singend auftreten, führt aber stets die Konzentration auf die gefangene Elektra zurück. Catherine Foster hatte bereits als Brünnhilde im Ring in China ihre Qualitäten im hochdramatischen Fach bewiesen. Als Elektra stehen der Engländerin neben dem wüsten Rasen auch junge lyrische Farben zur Verfügung, als Liebende vor Orest oder als Verführerin vor ihrem Stiefvater Aegisth, den sie in der Stimme lächelnd in den Tod schickt. Als Sieglinde in der Bayreuther „Walküre“ sorgte Edith Haller aktuell für Jubel. Als Kölner Chrysothemis bietet sie nun ihrer übermächtigen Schwester stimmlich Paroli, sie könnten als Walküren gemeinsam reiten, das Paar ist wirklich gut besetzt.

Und auch Dalia Schaechter, die in Günter Krämers Kölner Inszenierung aus dem Jahre 1995 bereits als Magd einen kleinen Dienst versah, begeistert jetzt als verschlagene männermordende Mutter. Ihr Söhnchen Orest verkörpert Samuel Youn, der Baritonstar des Hauses, und als Gaststar alter Tage stemmt René Kollo die Figur des Aegisth: Mit „Wehehehe“ verabschiedet er sich aus seiner Rolle bei seinen Fans, während der kompakte Orchesterschrei aus dem Graben seine Stimme wegspült.

GMD Markus Stenz mischt aufmerksam Sänger- und Orchesterklang, was allerdings mit den großen Stimmen auf der Bühne auch wahrlich leicht fallen darf. Die Musik ist natürlich geschaffen für Tosen und Flüstern, oder wie Elektra singt: „Schweigen und Tanzen“. Die Solisten und der Graben wurden bei der Premiere gefeiert, für das Regie-Team erhoben einige Buh-Rufer die Stimme. Ort- und Zeitlosigkeit des Bühnengeschehens werden einige Kölner Operngemüter immer bewegen.

Dauer: knapp 2 Stunden. Vorstellungen: 20. / 23. / 28. / 31.10.2010 / 6.11.2010.

Olaf Weiden

L’Incoronazione di Poppea / Elektra 05./06.11.2010 – kultura-extra.de
Franco Fagioli (Nerone) und Sandrine Piau (Poppea) in der KRÖNUNG DER POPPEA an der Oper Köln – Foto (C) Paul Leclaire
Rosinenpicken (121 / 122)

Catherine Foster (Elektra) nund Dalia Schaechter (Klytämnestra) in ELEKTRA von Strauss an der Oper Köln – Foto (C) Klaus Lefebvre

Einen Tag darauf besichtigten und hörten wir sogleich die zweite neue Produktion in dieser Spielzeit: ELEKTRA von Strauss/Hofmannsthal – jetzt „richtig“ in der Oper Köln:

Gabriele Rech hat ein in jeder Hinsicht knisterndes Psychogramm gedemütigter und gestörter Frauen (und Männer!!) auf die Bühne (Matthias Schaller) geschmettert; ein die Szene bestimmender Fahrstuhl fährt rauf und runter; und in diesem Fahrstuhl finden meist dann – meistens „unbeobachtet“ – die letztmöglichen, also physischen, Verrichtungen zwischen den sich nicht sonders leiden könnenden Personen dieser exzessiven Handlung statt; Rech legte großen Wert auf die Herausarbeitung auch der Neben-Rollen; so wird man Zeuge einer körperlichen Züchtigung einer der Mägde, die sich nicht dem Animositätensog (= Gruppenhass der so schon „Unterdrückten“ auf Elektra) unterordnen wollte – jene bleibt dann auch, als Einzige, nach dem verübten Schluss-Massacker von Orest & Co. am Leben – – sonst, und überhaupt, fließt literweise das finale Gruppenblut. Sehr hübsch das Alles!! / Catherine Foster ist eine umwerfende, vor allem aber eine intellektuelle Hauptfigur in diesem blutrünstigen Stück; alle andern nicht viel schlechter. Ja und Markus Stenz hat’s Gürzenich-Orchester fast dann kammermusikalisch und doch voll im Griff. // Wir sind begeistert