Die Zauberflöte

Die Zauberflöte

Wolfgang Amadeus Mozart
01.09.2001 | Nationaltheater Weimar

MUSIKALISCHE LEITUNG: Georg Alexander Albrecht
REGIE: Gabriele Rech
BÜHNE + KOSTÜME: Nicola Reichert
TAMINO: Johan Weigel
PAPAGENO: Alexander Günther
PAMINA: Marietta Zumbült
KÖNIGIN DER NACHT: Wendy Waller
SARASTRO: Jon Pescevich
PAPAGENA: Heike Porstein
MONOSTATOS: Frieder Aurich

Presse

Die Zauberflöte 09.09.2001 – Thüringer Landeszeitung
Grau sei die Farbe aller Theorie, meint ein berühmter Wahlweimarer und begeisterter Zauberflötenkenner – grau in allen Schattierungen war die Grundfarbe von Mozarts „Zauberflöte“ am DNT Weimar. …

Was wir theoretisch wissen, dass nämlich die Geistesströmung der Aufklärung als eine der wichtigsten Quellen in der „Zauberflöte“ Spuren hinterlassen hat, wurde hier und heute auf die Praxis überprüft….

Dieser Inszenierung gelang es fortlaufend dafür Aufmerksamkeit zu wecken. Von der Einheitlichkeit dieser Arbeit, die das Schaumoment mit präzis erarbeiteten Charakteren und Situationen verband, ging große Überzeugungskraft aus.

Beginnend mit dem Irrgarten, einer Projektion auf den Zwischenvorhang, mit der roten Schlange, die Tamino bereits umschlungen hält und eine Entsprechung fand im roten Seil, das Pamina fesselt, mit der Pracht der Königin der Nacht, den verwirrend vielen Türen zum Weisheitstempel, der Bibliothek des Sarastro, dem unterirdischen Gewölbe, den vielen Simultanbauten, der schlichten Feuer – Wasserprobe auf zwei Ebenen – mit all dem schuf Nicola Reichert den bildnerischen Hintergrund für das Loblied auf Lernen und Wissen, das dem sich immer stärker aufschließenden Publikum ins Bewusstsein gesungen wurde: Nur wer lebt – überlebt!

Hans – Jürgen Thiers

Die Zauberflöte 10.09.2001 – Ostthüringer Zeitung
… Es ist vor allem Inszenierung und Ausstattung , die an dieser Weimarer Zauberflöte so fesseln.

Die Handlung kennt jeder auswendig, die Arien und Sprechtexte auch. Bei dreieinviertel Stunden Spieldauer müssen sich die Macher schon gehörig etwas einfallen lassen. In Weimar gelingt dies durch beeindruckende Farben des Bühnenbildes, würzige Regieeinfalle, die Aufmachung insgesamt.

Da lautet die gespannte Frage: Modern oder konservativ?In Weimar wird der genau richtige Mittelweg gewählt. … Hochverdiente Begeisterung.

Katrin Seidel

Die Zauberflöte 10.09.2001 – Thüringer Allgemeine Zeitung
Die Zauberflöte ist zwar eine der erfolgreichsten Opern überhaupt, doch sind die Fallstricke flächendeckend gespannt. Da glaubt man schon fast an ein Wunder, wenn so etwas gelingt wie dem Regieteam in Weimar mit seiner szenischen Deutung. Es ist die Geschichte von Schikaneder und Mozart und es ist auch ein erstaunlich unaufdringlicher moderner Exkurs über Selbsterfahrung in der Gegenwart. Man kann mit der alten Geschichte zugleich was über die Gegenwart lernen. So gescheit in Szene gesetzt und ohne jeden Beigeschmack von Denunziation hat man die untergegangene DDR bislang kaum auf der Bühne gesehen.

Eine Wissensdiktatur, die versucht das Erbe anzunehmen, gleichzeitig aber die Richtung des Denkens und Forschens festlegt. Wo die spießig harmlos wirkenden Kittelträger schnell mal zupacken und Gefolgschaft erzwingen. …

Es ist Könnerschaft, sich dabei nicht metaphorischer Signale zu bedienen. Gemeinsam mit der Ausstatterin Nicola Reichert gelingen der Regisseurin Gabriele Rech sowohl der assoziative Raum der Enge als auch sinnliche Theaterbilder. So beim Auftritt der Königin der Nacht vor Sternenhimmel und Kerzenmeer als betörende Diva. Oder solchen, die sich unversehens aus ihrer Märchenhaftigkeit weiten: Wenn Tamino und Papageno ihre Schweigeprüfung in einer Höhle inmitten lauter mumifizierter Toter ablegen.

Es waltet den ganzen Abend hindurch ein erstaunliches Maß an dialektischer Sicht auf die zusammengehörenden Gegensätze der Zauberflötenwelt. Unversehens wird eine verblüffende Relevanz für die Selbstfindung junger Menschen zutage gefördert: Die Feuer – und Wasserprobe findet mit Theaterzauber statt, ist aber auch eine Selbstentdeckung in der Liebe zueinander und trotz eines fast nackten Tamino ohne Peinlichkeit. Man sieht zwei junge Menschen voller Angst vor undurchschaubaren Mächten oder auch vor ihrer erwachenden Sexualität.

Am Ende war der Jubel groß und ungeteilt. Er galt hier mit Recht allein der Kunst!

Joachim Lange

Die Zauberflöte – aus dem Sendemansukript des MDR 1
… Generalintendant Märki fordert eine neue Generation zu Höchstleistungen auf. … angeführt von einem Regie – und Ausstattungsteam mit Gabriele Rech und Nicola Reichert, das eine tiefgründige, auch weibliche Sicht der Zauberflöte zum Vorschein bringt. Sämtliche Ideale im Raum einer männlichdominierten Wissensbruderschaft erscheinen logisch, bis sie in Alchimie mit der weiblichen Seite durch Feuer und Wasser verschmelzen und erst dadurch brauchbar werden. Ein Konzept das aufgeht.

Die Zauberflöte November 2001 – Opernwelt
Nominierung für beste Inszenierung in der Zeitschrift „Opernwelt“ durch Jörg Königsdorf

Das Scheitern der allermeisten Regisseure, das Stück szenisch zum Ganzen zu fügen und inhaltlich zu füllen, wäre schon fast ein Grund, an der Zauberflöte selbst zu zweifeln …würde nicht hin und wieder eine Inszenierung vom Himmel fallen, die das Gegenteil bewiese…

Das Wunder gelingt Gabriele Rech am Weimarer Theater, und wie alle Wunder ist es einfach und selbstverständlich in dem Moment, wo es passiert. Dass Sonnen – Sarastro und die Königin der Nacht zwei gegensätzliche Prinzipien verkörpern, ist dabei eine ebenso wenig revolutionäre Erkenntnis, wie das Misstrauen gegenüber der autoritären, selbstherrlichen Priester – und Sklavenhalterschaft…

In Weimar darf und muss es die ganze Zauberflöte sein: Gabriele Rech fügt sie als Weltentwurf so passgenau zusammen, dass nicht eine Minute entbehrlich scheint. Beide Shpären, die der nächtlichen Königin wie die des Sonnenpriesters, sind hilflos in ihrer ideologisch – emotionalen Beschränkung auf Sinnlichkeit und Ratio, jedoch nicht hoffnungslos. Die Erlösung, die Pamina ihnen am Schluss bringen wird, besteht in der Zusammenführung des Getrennten: Den Dolch, mit dem sie Sarastro töten sollte und den ihr der Oberpriester am Ende reicht, um die Rache an der Mutter zu vollziehen, nutzt sie, um deren Fesseln zu durchschneiden: Pamina, die am meisten leiden musste, gewinnt aus diesem Leiden die Stärke, nicht nur mit Tamino durchs Feuer zu gehen, sondern auch zu verzeihen.

Am Ende steht eine Welt, in der Platz ist für alle….

Eine Geschichte, die von Rech und ihrer Ausstatterin Nicola Reichert mit souveräner handwerklicher Meisterschaft umgesetzt wird: mit Bildlösungen, die faszinieren, ohne den Sinn dem puren Effekt zu opfern, und mit einer respektgebietenden Detailgenauigkeit… Der Mohr scheint Sarastros Alter Ego zu sein: Rot ist die Farbe der Schlange, die schon eingangs Tamino von seiner Rose Pamina abhält, Rot sind die Fesseln, die allen Gefangenen umgelegt werden, Rot auch der Handschuh, den der ansonsten weiss gekleidete Sarastro trägt, und Rot eben auch Monostatos Anzug als Sinnfarbe der gewalttätigen Kehrseite, die unter der farblosen Priesterkaste schlummert. Als einzige besteht die Inszenierung auch die Feuer – und Wasserprobe mit Bravour, zeigt mit den beiden unsinnigen Überlebensexperimenten zugleich, wie menschenverachtend die sonnentemplerische Priestergesellschaft in ihrem Bibliotheksmuff im Grunde ist. Die Inszenierung dürfte zu dem Schlüssigsten und Berührendsten gehören, was zurzeit auf deutschen Bühnen zu sehen ist. …

Die „Die Zauberflöte“ sei auch im aktuellen Sinne unsterblich – als dauernder Aufruf, solange das Reich der Freiheit noch nicht bestehe, schrieb Ernst Bloch 1930 in seinem „Zauberflöten“ – Aufsatz. Wer Gabriele Rechs Inszenierung gesehen hat, glaubt, das dieses Reich vielleicht doch noch irgendwann anbricht. Nicht nur auf der Bühne.

Jörg Königsdorf