Der Wildschütz

Albert Lortzing
06.12.2008 | Nationaltheater Mannheim

MUSIKALISCHE LEITUNG: Richard Wien
REGIE: Gabriele Rech
BÜHNE + KOSTÜM: Sandra Meurer
GRAF VON EBERBACH: Lars Möller, Boris Grappe
BARON KRONTHAL: Maximilian Schmitt, Carsten Süß
GRÄFIN: Kaja Plessing
BARONIN FREIMANN: Marina Ivanova, Iris Kupke
BACULUS: Stephan Klemm, Thomas Jesatko

Presse

Enzyklopädie als Verlobungsgeschenk 09.12.2008 – Ludwig Steinbach
Zu einem großen Publikumserfolg wurde die Neuproduktion von Albert Lortzings komischer Oper „Der Wildschütz“ am Nationaltheater Mannheim. Dieses auf August von Kotzebues Komödie „Der Rehbock“ zurückgehende Werk entschärft seine Vorlage und stattet sie mit einer wohldosierten Schlichtheit und Volkstümlichkeit aus. Wenn dann noch eine Regisseurin wie Gabriele Rech zur Verfügung steht, kann eigentlich nichts mehr schief gehen. Sie erzählt das Stück geradlinig und schnörkellos. Vor allem aber kann Rech gut mit Sängern umgehen. Ihre quicklebendige und äußerst kurzweilige Personenregie sucht ihresgleichen.

Auch bei Massenszenen bewies sie ihr Geschick. Köstlich war bereits zu Beginn die als ausgeprägt spießig dargestellte, streng gekleidete Lehrerversammlung, die dem frisch verlobten Paar Baculus und Gretchen ein Ständchen bringt und als Verlobungsgeschenk eine riesige Enzyklopädie überreicht. Durch Namensschilder war jeder einzelne von ihnen – auch eine Nachfahrin von August von Kotzebue befand sich darunter – gut zu identifizieren. Gut war auch Rechs szenische Umsetzung von Baculus´ Arie „Fünftausend Taler“, aus der sie eine muntere Show-Einlage des Schulmeisters machte.

Auch um ein überzeugendes Grundkonzept ist die Regisseurin nicht verlegen. Sandra Meurer, von der auch die gelungenen, im Stil der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts gehaltenen Kostüme stammen, hat ihr ein aus drei Segmenten bestehendes Glashaus auf die Bühne gestellt, das mit Hilfe der Drehbühne rasch in die verschiedensten Stellungen gebracht werden kann. Brücken über den Orchestergraben verbinden es mit dem Zuschauerraum, der manchmal in das Spiel mit einbezogen wird.

Die Aussage ist klar: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Aber genau das geschieht andauernd. Lortzings Schlusserkenntnis, dass alle letztlich unschuldig sind, erfährt bei Rech eine Umkehrung: Alle sind irgendwie schuldig. Sie würden ihre unlauteren Absichten weiter verfolgen, wenn man sie nur ließe. Äußere Umstände hindern sie aber daran. Folgerichtig stürzt am Ende ein riesiger Baum auf die Bühne. Zerstört wird zwar nichts – die Mahnung auf diese Weise nicht weiter zu verfahren, ist aber unmissverständlich.

Der Wildschütz – Die Rheinpfalz
In den vergangenen drei Jahrzehnten verschwanden Albert Lortzings Spielopern, die bis dahin zu den beliebtesten Repertoire-Rennern an den deutschsprachigen Bühnen gezählt hatten, fast total von den Spielplänen. Das Mannheimer Nationaltheater stellte jetzt den „Wildschütz“, Lortzings wohl reifstes Werk, erneut zur Diskussion – in einer durchdachten, einfallsreichen Inszenierung von Gabriele Rech. Äußerst engagiert widmete sich Dirigent Richard Wien der Partitur. Die Regisseurin hielt es nicht mit der Tradition. Sie wollte sich ihre eigenen Gedanken über Lortzings „Wildschütz“ machen. Dementsprechend erteilte ihre Inszenierung eine entschiedene Absage an naive Biedermeier-Gemütlichkeit und suchte nach den Abgründen und gefährlichen Spannungen unter der Oberfläche. Dabei entdeckte Rech ein überaus bösartiges Stück, eine grausame Gesellschaftssatire über Geldgier, Liebe als Spiel, Korrumpierbarkeit und Heuchelei – all das mit direkten Bezugspunkten zur Gegenwart.

Aufführung
Der Regisseurin Gabriele Rech gelingt es, den traditionellen Stoff in das 20. Jahrhundert zu transferieren, so daß sich der Zuschauer in die Rollen hineinversetzen kann. In Zusammenspiel mit Bühne und Kostüm entsteht ein stimmiges Bild durch die gesamte Oper, in der vor allem Verkleidung, Verwechslung und Verstellung dominieren. Durch eine Drehscheibe, auf der verschiedene Räume aufgebaut sind, können auch große Wege dargestellt werden. Die Sänger überwinden im Stück einige Male den Orchestergraben und stellen, vor allem durch das Verteilen von Luftballons am Ende des ersten Akts, Publikumsnähe her…..

Fazit
Ist es eine Oper oder durch seine vielen gesprochenen Dialoge ein Theaterstück? Genau das ist eine Opera buffa, d.h. komische Oper. Mit einem Schuß noch während der Ouvertüre gelingt ein fulminanter Start. Assoziationen mit Elvis Presley und John Travolta ziehen sich durch das gesamte Stück und verpacken einen schon fast 200 Jahre alten Stoff gekonnt ins Moderne. Diese gelungene Inszenierung mit viel Liebe zum Detail verschafft sowohl langjährigen Operngängern als auch Opernanfängern bzw. Operneinsteigern einen unterhaltsamen Abend.

Sonja Olsen